Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Geldschrank entnahm und als er schon den Schlüssel an diesen steckte – schien er noch zu überlegen und setzte sich noch einmal nieder. Die Augen des Meister Antifer schleuderten einen zweifachen Blitz, wie solche unter gewissen atmosphärischen Verhältnissen, wenn die Luft mit Elektricität überladen ist, vorkommen.
»Was erwarten Sie noch? fragte er.
– Ich überlege nur noch etwas, antwortete der Banquier.
– Und was, wenn ich bitten darf?
– Glauben Sie, daß unsre Ansprüche in dieser Angelegenheit ganz gleichwerthig sind?
– Gewiß… das sind sie natürlich.
– Ja, ich… ich denk’ das nicht.
– Und warum?
– Weil es Ihr Vater gewesen ist, der den Pascha jenen Liebesdienst geleistet hat, und nicht Sie, während ich… ich es in eigner Person war, der…«
Meister Antifer unterbrach ihn, und der durch den Doppelblitz angekündigte Donnerschlag krachte nieder.
»Was zum Teufel, Herr Zambuco, könnten Sie wohl glauben, mit einem Kapitän der Küstenschiffahrt Fangball spielen zu können?… Sind die Rechte meines Vaters nicht auch die meinigen, da ich sein einziger Erbe bin?… Ja oder nein, wollen Sie dem Willen des Testators nachkommen?…
– Ich werde thun, was mir gefällt!« antwortete der Banquier kurz und trocken.
Meister Antifer packte den Tisch, um nicht an die Decke zu fahren, nachdem er mit dem Fuße seinen Schemel umgestoßen hatte.
»Sie sehen doch ein, daß Sie ohne mich nichts beginnen können! erklärte der Malteser.
– Und Sie nichts ohne mich!« versetzte der Malouin.
Das Gespräch wurde hitziger. Der eine war scharlachroth vor Wuth, der andre bleicher als gewöhnlich, doch seiner vollständig Herr.
»Wollen Sie mir Ihre Breite geben? schrie Meister Antifer auf dem Gipfel der Erregung.
– Fangen Sie doch mit Ihrer Länge an, erwiderte der Banquier.
– Niemals!
– Wie Sie wollen.
– Hier ist mein Document, heulte Meister Antifer, indem er sein Portefeuille aus der Tasche zog.
– Behalten Sie es nur… Ich kann damit nichts anfangen!
– Sie wissen damit nichts anzufangen? Vergessen Sie denn, daß es sich um hundert Millionen handelt?
– Um hundert Millionen… ganz richtig.
– Und daß diese verloren sind, wenn wir die Lage des Eilandes nicht feststellen, wo sie verscharrt wurden?
– Pah!«… pustete der Banquier.
Er machte dabei wieder eine so wegwerfende Miene, daß der andre, der sich nicht mehr bemeistern konnte, sich in Stellung setzte, ihm an die Kehle zu springen… dem Elenden, der es abschlug, hundert Millionen einzucassieren – ohne daß ein andrer davon Nutzen hatte.
Vielleicht niemals war der Wucherer Zambuco, der in seinem langen Leben so manchen armen Teufel moralisch erwürgt hatte, so nahe daran gewesen, physisch erwürgt zu werden, denn er sagte, wieder einlenkend:
»Es gäbe vielleicht ein Mittel, sich zu arrangieren!«
Meister Antifer klappte die Hände wieder zu und steckte sie in die Tasche, um weniger versucht zu sein, von ihnen Gebrauch zu machen.
»Mein Herr, fuhr der Banquier fort, ich bin reich, habe sehr geringe Bedürfnisse, und fünfzig oder auch hundert Millionen würden an meiner gewohnten Lebensweise nichts zu ändern vermögen. Ich habe aber eine Leidenschaft, nämlich die, Goldsäcke über Goldsäcke zu häufen, und ich gestehe, der Schatz Kamylk-Paschas würde in meinem Geldschranke eine recht hübsche Rolle spielen. Seit mir nun das Vorhandensein jenes Schatzes bekannt ist, hab’ ich keinen andern Gedanken gehabt, als in den Besitz des Ganzen zu kommen.
– Sehen Sie einmal an, Herr Zambuco.
– Warten Sie!
– Und der mir zukommende Theil?…
– Ihr Theil?… Ja, ließe sich das, wenn Sie ihn auch erhielten, nicht so einrichten, daß er in meiner Familie bliebe?
– Dann wäre dies aber nicht die meinige…
Sich wie ein Toller geberdend, lief er die Straße hinab. (S. 834.)
– Nach Belieben, ich zwinge Sie zu nichts.
– Nun, keine solchen Umstände, Herr Lavierer, erklären Sie sich!
– Ich habe eine Schwester, Fräulein Talisma…
– Mein Compliment!
– Sie wohnt in Malta.
– Desto besser für sie, wenn das Klima dort ihr zusagt.
– Sie zählt siebenvierzig Jahre, ist aber für ihr Alter eine noch recht ansehnliche Person.
– Das wundert mich nicht, wenn Sie Ihnen ähnelt.
– Nun also… da Sie unvermählt sind… können Sie da nicht meine Schwester heiraten?
– Ihre Schwester heiraten?… rief Pierre-Servan-Malo, dessen schon erhitztes Gesicht jetzt purpurroth
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