Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
Dir’s an der nöthigen Vorbereitung!… rief Antifer, der seinen Hut in eine Ecke schleuderte. Sehr schön! Bist Du vielleicht vorbereitet, auf diese hier zu antworten?
– Auf welche denn?
– Wenn ein Mensch ein Schiff – sagen wir eine Galeere – meinetwegen eine »Charmante Amélie«…
Gildas Tregomain ahnte, daß es seiner »Charmante Amélie« jetzt schlecht gehen würde.
»… Wenn er so einen alten Kasten mit hundert Millionen in Gold belüde und öffentlich anzeigte, er wolle aufs hohe Meer hinausfahren, um seine Millionen zu ersäufen, glaubst Du, daß die Regierung ihn so ohne weiteres gewähren ließe?… Heraus mit der Sprache!
– Nein, das glaub’ ich nicht, alter Freund.
– Eben das hat sich jenes Ungeheuer Zambuco in den Kopf gesetzt!… Er braucht nur ein Wörtchen zu sagen, so finden wir seine und meine Millionen… doch er versteift sich darauf, zu schweigen!
– Ich kenne keinen abscheulicheren Hallunken! erwiderte Tregomain mit einer Miene, als ob er auch in Wuth gerathen wäre.
– Nun, und Du, Juhel?…
– Lieber Onkel?…
– Wenn wir ihn nun bei Gericht denuncierten?…
– Gewiß, das wäre wenigstens das letzte Mittel….
– Denn dem Gericht ist erlaubt, was der Einzelne nicht thun darf… das kann ihn ins Verhör nehmen… ihn mit glühenden Zangen zwicken… ihn bei langsamem Feuer braten… und das muß noch so kommen!
– Die Idee ist nicht schlecht, lieber Onkel.
– Ausgezeichnet, sag’ ich Dir, Juhel. Nur um diesen schrecklichen Schacherer zur Vernunft zu bringen, ließ ich lieber meine fünfzig Millionen im Stiche und opferte sie den Armen….
– O, das wäre schön, das wäre edelmüthig, großherzig! rief der Frachtschiffer, das wäre eines Franzosen… eines Malouin… eines echten Antifer würdig….«
Als der Onkel Juhels jene Worte hervorpolterte, war er freilich weiter gegangen, als er gewollt hatte, denn er warf einen so schrecklichen Blick auf Gildas Tregomain, daß der brave Mann seine Lobhymne kurz abbrach.
»Hundert Millionen!… Hundert Millionen! wiederholte Meister Antifer… ich mache ihn todt… diesen Unglücks-Zambuco…
– Aber, Onkel!…
– Alter, guter Freund!«
Bei der Ueberreizung, in der er sich befand, konnte man dem Malouin in der That den dümmsten Streich zutrauen… für den er nicht verantwortlich gewesen wäre, da er in Folge momentaner Geistesstörung gehandelt hätte. Als Gildas Tregomain und Juhel ihn aber zu beruhigen suchten, stieß er sie heftig von sich und beschuldigte sie, daß sie es mit seinen Feinden hielten, dem Zambuco die Brücke verträten und ihm nicht helfen wollten, den Erbschleicher zu vernichten.
»Laßt mich… laßt mich in Ruhe!« schrie er endlich.
Den Hut aufhebend, warf er die Thüre zu und verließ den Salon.
In der Vermuthung, Meister Antifer werde nach dem Hause des Banquiers laufen, beschlossen beide, ihm nachzueilen, um ein Unglück zu verhüten. Sie beruhigten sich jedoch, als sie ihn die große Treppe hinaufsteigen und sich nach seinem Zimmer begeben sahen, das er zuschloß.
»Das Gescheiteste, was er anfangen konnte! meinte der Frachtschiffer, die Achseln zuckend.
– Ja… der arme Onkel!« antwortete Juhel.
Nach einem solchen Auftritte hatten sie den Appetit zum Essen natürlich fast ganz verloren.
Sie betheiligten sich an der Tafel also nur sehr wenig, und dann verließen die beiden Freunde das Hôtel, um am Ufer des Bahira etwas frische Luft zu schöpfen. Beim Hinaustreten begegneten sie Ben Omar mit Nazim. Sie fanden nichts dabei, den Notar von dem Vorgegangenen zu unterrichten, und dieser hatte kaum von den Bedingungen des Banquiers Zambuco gehört, als er auch schon ausrief:
»Natürlich muß er das Fräulein Zambuco heiraten!… Er hat gar kein Recht, das abzuschlagen!… Nein, das Recht hat er nicht!«
Das war auch die Ansicht Saouk’s, der nie gezögert hätte, irgendwelche Ehe einzugehen, wenn sie ihm nur eine solche Mitgift einbrachte.
Gildas Tregomain und Juhel wandten ihnen den Rücken und gingen nachdenklich die Marine-Allee hinunter.
Ein schöner, durch den Seewind abgekühlter Abend lud die Bevölkerung von Tunis zu einem Spaziergang ein. Der junge Kapitän und der Frachtschiffer schlenderten der Stadtmauer zu, gingen durch das Thor derselben, legten noch die hundert Schritte bis zum Ufer des Sees zurück und nahmen endlich an einem Tische im Café Wina Platz, wo sie, nach Bestellung eines Flacons Manubro, ungestört plaudern konnten. Für sie lag ihre
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