Meister Antifer's wunderbare Abenteuer
auszuliefern, wenn ich nicht Ihre Schwester heirate?
– Unbedingt!
– Nun, so heirat’ ich sie…
– Ah, das wußt’ ich! Eine Frau, die Ihnen fünfzig Millionen mitbringt!… Der Sohn Rothschild’s hätte sich glücklich geschätzt, Talismas Mann werden zu können….
– Möglich… ich werde auch glücklich sein! antwortete Meister Antifer mit einer Grimasse, die er gar nicht zu verbergen suchte.
– So kommen Sie, Schwager,« erwiderte Zambuco.
Er erhob sich, als ob er nach der Treppe und ins Obergestock hinauf gehen wollte.
»Ist sie denn gar schon hier?«… rief Meister Antifer entsetzt.
Sein Gesicht glich dem eines Verurtheilten, wenn er zum letzten Gange geweckt wird und ihm der Gefängnißwärter zuruft: »Nun vorwärts… Muth… ‘s ist ja nur heute einmal!«
»Beruhigen Sie sich, mein feuriger Bräutigam! entgegnete der Banquier. Haben Sie denn vergessen, daß sie in Malta ist?
– Wohin gehen wir dann? erkundigte sich Meister Antifer, erleichtert aufseufzend.
– Nach dem Telegraphen.
– Um ihr von dem Handel Mittheilung zu machen?
– Ja… und sie aufzufordern, daß sie sofort hierherkommt….
– Machen Sie ihr die Meldung, wenn Sie wollen, Herr Zambuco, ich erkläre Ihnen aber, daß es mir gar nicht einfällt, meine Zukünftige hier – in Tunis – zu erwarten.
– Und warum nicht?
– Weil Sie und ich keine Zeit zu verlieren haben. Ist es nicht das Nothwendigste, das Eiland aufzusuchen, sobald dessen Lage festgestellt ist?
– O, Herr Schwager, acht Tage eher oder später, das macht nichts aus!
– Im Gegentheil, das macht sehr viel aus, und Sie müssen doch ebensolche Eile haben wie ich, die Erbschaft Kamylk-Paschas anzutreten.«
Der geizige und habgierige Banquier hatte es in der That mindestens ebenso eilig, und wenn er seine Ungeduld auch hinter einer gemachten Gleichgiltigkeit verbarg, brannte er doch vor Verlangen, seinen Theil der Millionen einzustecken. Jetzt wollte er dem andern auch nicht widersprechen.
»Nun gut, sagte er, Sie mögen ja recht haben. Ich werde meine Schwester erst nach unsrer Rückkehr kommen lassen, doch will ich sie wenigstens unterrichten von dem Glücke, das ihrer wartet.
– Ach ja… das ihrer wartet! wiederholte Pierre-Servan-Malo, ohne die Art des Glücks näher zu bezeichnen, das er der heiratslustigen alten Jungfrau aufbewahrte.
– Ich möchte nur ein schriftliches Eheversprechen haben, fuhr Zambuco fort.
– Setzen Sie es auf… ich unterschreibe.
– Mit Reugeld bei Nichteinhaltung?
– Meinetwegen… Wie viel Reugeld?
– Sagen wir, die fünfzig Millionen, die auf Ihren Antheil fallen.
– Einverstanden… nun machen wir aber ein Ende!« antwortete Meister Antifer, entschlossen, der Ehegemahl des Fräulein Talisma Zambuco zu werden, da er diesem Glücke einmal nicht entgehen konnte.
Der Banquier holte einen Briefbogen und setzte in seiner großen Handschrift einen Ehevertrag, dessen Einzelbedingungen genau formuliert wurden, nach allen Regeln der Kunst auf. Darin war festgesetzt, daß der Erbantheil des Meisters Antifer dem Fräulein Talisma Zambuco unverkürzt zufallen solle, wenn ihr Verlobter sich weigerte, sie vierzehn Tage nach Hebung des Schatzes als rechtmäßige Gattin heimzuführen.
Pierre-Servan-Malo setzte – mit etwas plumpen Schnörkeln verziert – seinen Namen unter den Vertrag, den der Banquier in einem Geheimfach seines Geldschranks verschloß.
Gleichzeitig brachte er ein vergilbtes Papier hervor. Das war der vor zwanzig Jahren eingetroffene Brief Kamylk-Paschas. Dann nahm auch Meister Antifer ein durch die Länge der Zeit nicht minder gelbgewordenes Schriftstück aus seiner Brieftasche: das auf dem Eiland Nummer Eins gefundene Document.
Da standen sich nun die beiden Erben wie die Waffen eben kreuzende Duellanten Auge in Auge gegenüber. Ihre Arme streckten sich vorsichtig aus, die Finger zitterten bei der Berührung der Papiere, die sie einander nur ungern übergaben. Das war ein Bild für Zuschauer! Hundert Millionen durch eine kleine Bewegung in einer Familie vereinigt!
»Ihr Brief?… stammelte Meister Antifer.
– Ihr Document?«… antwortete der Banquier.
Der Austausch war erfolgt. Es war die höchste Zeit, denn die Herzen der beiden Männer arbeiteten so heftig, daß sie zu erlahmen drohten.
Das Document mit dem Auftrage, durch einen gewissen Antifer aus Saint-Malo einem gewissen Zambuco in Tunis übergeben zu werden, enthielt die Längenangabe: 7°23’ östlich von Paris.
Der Brief
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