Meister und Margarita
machte es sich plötzlich auf einer benachbarten Bank bequem, keine zwei Schritte von den Freunden entfernt.
»Ein Deutscher«, sagte sich Berlioz.
»Ein Engländer«, dachte Besdomny. »Boah, dass dem nicht zu heiß wird in seinen Handschuhen!«
Währenddessen betrachtete der Fremde die großen Häuser,die den Teich im Quadrat umsäumten. Offenbar sah er die Gegend zum ersten Mal und war interessiert.
Sein Blick ruhte jetzt auf den oberen Etagen, die das gebrochene und für Michail Alexandrowitsch nun auf ewig entschwindende Sonnenlicht blendend spiegelten, und glitt dann hinab, dorthin, wo sich die Scheiben bereits vorabendlich trübten. Aus irgendeinem Grund grinste er gönnerhaft, kniff die Augen zusammen, stützte die Hände auf den Stock, das Kinn auf die Hände.
– Also, du, Iwan –, sprach Berlioz, – hast zum Beispiel sehr gut und sehr bissig Jesu Geburt skizziert, die Geburt eines Gottessohns. Der Witz aber ist, dass es bereits vor Jesus eine stattliche Reihe von Gottessöhnen gab, wie etwa den phönizischen Adonis, den phrygischen Attis und den persischen Mithras. Nur dass keiner von ihnen jemals gelebt hat, einschließlich Jesus. Es ist darum wichtig, dass du, anstatt die Geburt und die Krippenszene zu schildern, absurde Gerüchte über diese Geburt beschreibst … Sonst sieht es, dank deiner Erzählung, so aus, als wäre er wirklich geboren worden! …
An dieser Stelle unternahm Besdomny einen Versuch, den quälenden Schluckauf loszuwerden und hielt den Atem an, was dazu führte, dass er umso quälender und umso lauter aufschlucken musste. Da verschlug es auch Berlioz die Worte, denn auf einmal erhob sich der Fremde und schritt geradewegs auf die Schriftsteller zu.
Sie schauten verwundert.
– Ich bitte Sie vielmals um Vergebung –, sagte der Ankömmling mit Akzent, aber fehlerfrei, – dass ich, ohne Sie erst zu kennen, so dreist bin … Allein der Gegenstand Ihrer gelehrten Unterhaltung war derart faszinierend, dass ich …
Dabei zog er galant das Barett, und den Freunden blieb nichts anderes übrig, als aufzustehen und sich zu verbeugen.
»Nein, wohl eher ein Franzose …«, sagte sich Berlioz.
»Vielleicht ein Pole?«, dachte Besdomny.
Hier sei bemerkt, dass Besdomny den Fremden sofort ausgesprochen widerlich fand, wogegen er Berlioz eher gefiel, oder nein … nicht gefiel, sondern … sagen wir mal … ihn etwas neugierig machte.
– Darf ich Platz nehmen? –, fragte höflich der Fremde, und die Freunde rückten irgendwie unwillkürlich auseinander. Der Fremde setzte sich geschickt zwischen die beiden und beteiligte sich sogleich an deren Gespräch:
– Habe ich richtig gehört, Sie behaupten, dass Jesus nicht existierte? –, erkundigte sich der Fremde und richtete auf Berlioz sein linkes grünes Auge.
– Sie haben ganz richtig gehört –, antwortete Berlioz bescheiden, – das waren meine Worte.
– Ach, das ist ja interessant! –, rief der Ausländer.
»Was zum Teufel kümmert’s den?«, dachte Besdomny und machte ein finstres Gesicht.
– Und Sie sind mit Ihrem Gesprächspartner einer Meinung? –, fragte der Unbekannte, sich nach rechts zu Besdomny wendend.
– Aber hundert Pro! –, bestätigte jener als Liebhaber geblümter Rede.
– Das ist ja entzückend! –, rief der ungebetene Gast aus, blickte sich weiß Gott weshalb verstohlen um und sagte, wobei er seine ohnehin tiefe Stimme senkte: – Entschuldigen Sie meine Aufdringlichkeit, doch ich habe verstanden, Sie glauben darüber hinaus auch nicht an Gott? – Er machte erschrockene Augen und fügte hinzu: – Ich schwöre, ich werde es niemandem weitererzählen.
– Ganz recht, wir glauben nicht an Gott –, antwortete Berlioz, leicht belustigt über die Angst des Touristen, – aber das dürfen wir frei heraus bekennen.
Der Ausländer lehnte sich auf der Bank zurück und fragte, vor lauter Neugier fast piepsend:
– Dann sind Sie wohl … Atheisten?!
– Ja, wir sind Atheisten –, lächelte Berlioz, während Besdomny verärgert dachte: »Dass der auch nicht lockerlässt, dieser hergereiste Gockel!«
– Na, das ist ja reizend! –, rief der sich wundernde Fremde und ließ den Kopf kreisen, mal den einen, mal den anderen Literaten betrachtend.
– In unserem Land ist der Atheismus kein Grund zum Staunen –, sagte Berlioz mit diplomatischem Takt, – ein Großteil unserer Bevölkerung hat seit Langem und sehr bewusst damit aufgehört, den Ammenmärchen von Gott noch Glauben zu schenken.
Nun aber legte
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