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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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habe Ihren Wunsch verstanden.
    Weil Sie nicht immer einig mit sich sind, suchen Sie nach Erregung und Betäubung.«
    »O nein, ich bin nicht so romantisch, wie Sie meinen.
    Ich suche beim Spiel nicht Betäubung, sondern einfach Geld. Ich möchte einmal reich sein oder doch sorgenfrei, ohne mich dafür verkaufen zu müssen. Das ist alles.«
    »Das klingt so richtig, und doch glaube ich es nicht.
    Aber wie Sie wollen! Sie wissen ja im Grunde ganz gut, daß Sie sich nie zu verkaufen brauchen. Reden wir nicht davon! Aber wenn Sie Geld haben wollen, sei es nun zum Spielen oder sonst, so nehmen Sie es doch von mir! Ich habe mehr, als ich brauche, glaube ich, und lege keinen Wert darauf.«
    Teresina zog sich wieder zurück.
    »Ich kenne Sie ja kaum. Wie soll ich Geld von Ihnen an nehmen?«
    Er zog plötzlich den Hut, wie von einem Schmerz befal len, und brach ab.

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    »Was haben Sie?« rief Teresina.
    »Nichts, nichts. – Erlauben Sie, daß ich gehe! Wir haben zuviel gesprochen, viel zuviel. Man sollte nie so viel spre chen.«
    Und da lief er schon, ohne Abschied genommen
    zu haben, rasch und wie von Verzweifl ung hingeweht durch den Baum gang fort. Die Tänzerin sah ihm mit gestauten, uneinigen Empfi ndungen nach, aufrichtig verwundert über ihn und über sich. Er aber lief nicht aus Verzweifl ung, sondern nur aus unerträglicher Spannung und Gefülltheit. Es war ihm plötzlich unmöglich geworden, noch ein Wort zu sagen, noch ein Wort zu hören, er mußte allein sein, mußte notwen dig allein sein, denken, horchen, sich selber zuhören. Das ganze Gespräch mit Teresina hatte ihn selbst in Erstaunen gesetzt und überrascht, die Worte waren ohne seinen Willen so gekommen, es hatte ihn wie ein Würgen das heftige Be dürfnis befallen, seine Erlebnisse und Gedanken mitzuteilen, zu formen, auszusprechen, sie sich selber zuzurufen. Er war erstaunt über jedes Wort, das er sich sagen hörte, aber mehr und mehr fühlte er, wie er sich in etwas hineinredete, was nicht mehr einfach und richtig war, wie er unnützerweise das Unbegreifl iche zu erklären versuchte – und mit einemmal war es ihm unerträglich geworden, er hatte abbrechen müs sen.
    Jetzt aber, wo er sich der vergangenen Viertelstunde wie der zu erinnern suchte, empfand er dies Erlebnis freudig und dankbar. Es war ein Fortschritt, eine 465
    Erlösung, eine Bestäti
    gung. Die Zweifelhaftigkeit, in
    welche die ganze gewohnte Welt für ihn gefallen war, hatte ihn furchtbar ermüdet und gepeinigt. Er hatte das Wunder erlebt, daß das Leben am sinnvollsten wird in den Augenblicken, wo alle Sinne und Be deutungen uns verlorengehen. Immer wieder aber war ihm der peinliche Zweifel gekommen, ob diese Erlebnisse wirklich wesentlich seien, ob sie mehr seien als kleine zufällige Kräuselungen an der Oberfl äche eines ermüdeten und er krankten Gemütes, Launen im Grunde, kleine Nerven-schwankungen. Jetzt hatte er gesehen, gestern abend und heute, daß sein Erlebnis wirklich war. Es hatte aus ihm ge strahlt und ihn verändert, es hatte einen andern Menschen zu ihm hergezogen. Seine Vereinsamung war durchbrochen, er liebte wieder, es gab jemand, dem er dienen und Freude ma chen wollte, er konnte wieder lä-
    cheln, wieder lachen!
    Die Welle ging durch ihn hin wie Schmerz und wie Wol lust, er zuckte vor Gefühl, Leben klang in ihm auf wie eine Brandung, unbegreifl ich war alles. Er riß die Augen auf und sah: Bäume an einer Straße, Silberfl ok-ken im See, ein rennen der Hund, Radfahrer – und alles war sonderbar, märchen haft und beinahe allzu schön, alles wie nagelneu aus Gottes Spielzeugschachtel genommen, alles nur für ihn da, für Friedrich Klein, und er selbst nur dazu da, diesen Strom von Wunder und Schmerz und Freude durch sich hinzucken zu fühlen.
    Überall war Schönheit, in jedem Dreckhaufen am Weg, 466
    überall war tiefes Leiden, überall war Gott. Ja, das war Gott, und so hatte er ihn, vor unausdenklichen Zeiten, als Knabe einst empfunden und mit dem Herzen gesucht, wenn er ›Gott‹ und ›Allgegenwart‹ dachte. Herz, brich nicht vor Fülle!
    Wieder schossen aus allen vergessenen Schächten seines Lebens frei gewordene Erinnerungen zu ihm empor, unzähl bare: an Gespräche, an seine Verlobungszeit, an Kleider, die er als Kind getragen, an Ferienmorgen der Studentenzeit, und ordneten sich in Kreisen um einige feste Mittelpunkte: um die Gestalt einer Frau, um seine Mutter, um den Mörder Wagner, um Teresina. Stellen aus klassischen Schriftstellern fi elen

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