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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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nach Erlöschen, nach Rückkehr in Gottes Schoß! Vielleicht würde sie ihn lieben, schon bald, vielleicht würde sie mit ihm leben
    – aber würde es anders sein, als es mit seiner Frau gewesen war?
    Würde er nicht, immer und immer, mit seinen innigsten Gefühlen allein sein?
    Teresina unterbrach ihn. Sie blieb bei ihm stehen und gab ihm ein Bündel Banknoten in die Hand.
    »Bewahren Sie mir das auf, bis nachher.«

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    Nach einer Zeit, er wußte nicht, war es lang oder kurz, kam sie wieder und erbat das Geld zurück.
    Sie verliert, dachte er, Gott sei Dank! Hoff entlich ist sie bald fertig.
    Kurz nach Mitternacht kam sie, vergnügt und etwas er hitzt. »So, ich höre auf. Sie Armer sind gewiß müde.
    Wollen wir nicht noch einen Bissen essen, eh wir heim-fahren?«
    In einem Speisesaal aßen sie Schinkeneier und Früch-te und tranken Champagner. Klein erwachte und wurde munter. Die Tänzerin war verändert, froh und in einem leichten sü ßen Rausch. Sie sah und wußte wieder, daß sie schön war und schöne Kleider trug, sie spürte die Blik-ke der Männer, die von benachbarten Tischen herüber warben, und auch Klein fühlte die Verwandlung, sah sie wieder von Reiz und holder Verlockung umgeben, hörte wieder den Klang von Herausforderung und Geschlecht in ihrer Stimme, sah wie der ihre Hände weiß und ihren Hals perlfarben aus den Spit zen steigen.
    »Haben Sie auch tüchtig gewonnen?« fragte er lachend.
    »Es geht, noch nicht das große Los. Es sind etwa fünftau send.«
    »Nun, das ist ein hübscher Anfang.«
    »Ja, ich werde natürlich fortfahren, das nächstemal.
    Aber das richtige ist es noch nicht. Es muß auf einmal kommen, nicht tropfenweise.«
    Er wollte sagen: ›Dann müßten Sie auch nicht tropfen-496
    weise setzen, sondern alles auf einmal‹ – aber er stieß statt dessen mit ihr an, auf das große Glück, und lachte und plau derte weiter.
    Wie war das Mädchen hübsch, gesund und einfach
    in sei ner Freude! Vor einer Stunde noch hatte sie an den Spielti
    schen gestanden, streng, besorgt, faltig, böse, rechnend. Jetzt sah sie aus, als habe nie eine Sorge sie berührt, als wisse sie nichts von Geld, Spiel, Geschäften, als kenne sie nur Freude, Luxus und müheloses Schwimmen an der schillernden Ober fl äche des Lebens. War das alles wahr, alles echt? Er selbst lachte ja auch, war ja auch vergnügt, warb ja auch um Freude und Liebe aus heitern Augen – und doch saß zugleich einer in ihm, der an das alles nicht glaubte, der dem allen mit Miß trauen und mit Hohn zusah. War das bei andern Menschen anders? Ach, man wußte so wenig, so verzweifelt wenig von den Menschen! Hundert Jahreszahlen von lächerlichen Schlachten und Namen von lächerlichen alten Königen hatte man in den Schulen gelernt, und man las täglich Artikel über Steuern oder über den Balkan, aber vom Menschen wußte man nichts! Wenn eine Glocke nicht schellte, wenn ein Ofen rauchte, wenn ein Rad in einer Maschine stockte, so wußte man sogleich, wo zu suchen sei, und tat es mit Eifer, und fand den Schaden und wußte, wie er zu heilen war. Aber das Ding in uns, die geheime Feder, die allein dem Leben den Sinn gibt, das Ding in uns, das allein lebt, das allein fähig ist, Lust und Weh zu fühlen, Glück zu begehren, Glück zu erle-497
    ben – das war unbekannt, von dem wußte man nichts, gar nichts, und wenn es krank wurde, so gab es keine Heilung. War es nicht wahnsinnig?
    Während er mit Teresina trank und lachte, stiegen in an dern Bezirken seiner Seele solche Fragen auf und nieder, dem Bewußtsein bald näher, bald ferner. Alles war zweifel haft, alles schwamm im Ungewissen. Wenn er nur das Eine gewußt hätte: ob diese Unsicherheit, diese Not, diese Ver zweifl ung mitten in der Freude, dieses Denkenmüssen und Fragenmüssen auch in andern Menschen so war, oder nur in ihm allein, in dem Sonderling Klein?
    Eines fand er, darin unterschied er sich von Teresina, darin war sie anders als er, war kindlich und primitiv gesund. Dies Mädchen rechnete, wie alle Menschen, und wie auch er selbst es früher getan hatte, immerzu instinktiv mit Zukunft, mit Morgen und
    Übermorgen, mit Fortdauer. Hätte sie sonst spielen und das Geld so ernst nehmen können? Und da, das fühlte er tief, da stand es bei ihm anders. Für ihn stand hinter jedem Gefühl und Gedanken das Tor off en, das ins Nichts führte. Wohl litt er an Angst, an Angst vor sehr vielem, vor dem Wahnsinn, vor der Polizei, der Schlafl osigkeit, auch an Angst vor dem Tod. Aber

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