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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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deutete, und lachte laut.
    »In einem Wirtshaus?«
    »Nein, im Wald. In den Heidelbeeren. Sie sind schon bei nahe reif.«
    »Sie sind ein Phantast. – Aber ich muß tanzen, der Direk tor klopft schon. – Wo sind Sie, Claudio?«
    Der schöne, dunkle Tänzer stand schon hinter ihrem Stuhl, die Musik begann. Am Schluß des Tanzes ging er.
    Abends holte er sie pünktlich ab und war froh, den Smo king angezogen zu haben, denn Teresina hatte sich überaus festlich gekleidet, violett mit vielen Spitzen, und sah wie eine Fürstin aus.
    Am Strande führte er Teresina nicht zum Kurschiff , son dern in ein hübsches Motorboot, das er für den Abend ge mietet hatte. Sie stiegen ein, in der halboff enen Kajüte lagen Decken für Teresina bereit und Blumen. Mit scharfer Kurve schnob das rasche Boot zum Hafen hinaus in den See.
    Draußen in der Nacht und Stille sagte Klein: »Teresina, ist es nicht eigentlich schade, jetzt dort hinüber unter die vielen Menschen zu gehen? Wenn Sie Lust haben, fahren wir wei ter, ohne Ziel, solang es uns ge-fällt, oder wir fahren in ir gendein hübsches stilles Dorf, 489
    trinken einen Landwein und hören zu, wie die Mädchen singen. Was meinen Sie?«
    Sie schwieg, und er sah alsbald Enttäuschung auf ihrem Gesicht. Er lachte.
    »Nun, es war ein Einfall von mir, verzeihen Sie. Sie sollen vergnügt sein und haben, was Ihnen Spaß macht, ein andres Programm haben wir nicht. In zehn Minuten sind wir drü ben.«
    »Interessiert Sie denn das Spiel gar nicht?« fragte sie.
    »Ich werde ja sehen, ich muß es erst probieren. Der Sinn davon ist mir noch etwas dunkel. Man kann Geld gewinnen und Geld verlieren. Ich glaube, es gibt stärkere Sensatio nen.«
    »Das Geld, um das gespielt wird, braucht ja nicht bloß Geld zu sein. Es ist für jeden ein Sinnbild, jeder gewinnt oder verliert nicht Geld, sondern all die Wünsche und Träume, die es für ihn bedeutet. Für mich bedeutet es Freiheit. Wenn ich Geld habe, kann niemand mir mehr befehlen. Ich lebe, wie ich will. Ich tanze, wann und wo und für wen ich will. Ich reise, wohin ich will.«
    Er unterbrach sie.
    »Was sind Sie für ein Kind, liebes Fräulein! Es gibt keine solche Freiheit, außer in Ihren Wünschen. Werden Sie mor gen reich und frei und unabhängig – übermorgen verlieben Sie sich in einen Kerl, der Ihnen das Geld wieder abnimmt oder der Ihnen bei Nacht den Hals abschneidet.«
    »Reden Sie nicht so scheußlich! Also: wenn ich reich 490
    wäre, würde ich vielleicht einfacher leben als jetzt, aber ich täte es, weil es mir Spaß machte, freiwillig und nicht aus Zwang. Ich hasse Zwang! Und sehen Sie, wenn ich nun mein Geld im Spiel einsetze, dann sind bei jedem Verlust und Gewinn alle meine Wünsche beteiligt, es geht um alles, was mir wertvoll und begehrenswert ist, und das gibt ein Gefühl, das man sonst nicht leicht fi ndet.«
    Klein sah sie an, während sie sprach, ohne sehr auf ihre Worte zu achten. Ohne es zu wissen, verglich er Teresinas Gesicht mit dem Gesicht jener Frau, von der er im Walde ge träumt hatte.
    Erst als das Boot in die Bucht von Castiglione einfuhr, wurde es ihm bewußt, denn jetzt erinnerte ihn der Anblick des beleuchteten Blechschildes mit dem Stati-onsnamen hef tig an das Schild im Traum, auf welchem
    ›Lohengrin‹ oder ›Wagner‹ gestanden hatte. Genau so hatte jenes Schild aus gesehen, genau so groß, so grau und weiß, so grell beleuch tet. War dies hier die Bühne, die auf ihn wartete? Kam er hier zu Wagner? Nun fand er auch, daß Teresina der Traumfrau glich, vielmehr den beiden Traumfrauen, deren eine er mit dem Messer tot-gestochen, deren andre ihn tödlich mit den Krallen ge-würgt hatte. Ein Schrecken lief ihm über die Haut. Hing denn das alles zusammen? Wurde er wieder von unbekannten Geistern geführt? Und wohin? Zu Wagner? Zu Mord? Zu Tod?
    Beim Aussteigen nahm Teresina seinen Arm, und so Arm in Arm gingen sie durch den kleinen bunten Lärm 491
    der Schiffl
    ände, durchs Dorf und in das Kasino. Hier
    gewann alles je nen halb reizenden, halb ermüdenden Schimmer von Un wahrscheinlichkeit, den die Veran-staltungen gieriger Men schen stets da bekommen, wo sie fern den Städten in stille Landschaften verirrt stehen. Die Häuser waren zu groß und zu neu, das Licht zu reichlich, die Säle zu prächtig, die Men schen zu lebhaft.
    Zwischen den großen, fi nsteren Bergzügen und dem weiten, sanften See hing der kleine dichte Bienen schwarm begehrlicher und übersättigter Menschen so ängst lich gedrängt,

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