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Meistererzählungen

Meistererzählungen

Titel: Meistererzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Ziel, den man nicht nach seinem Na men fragen darf? Das weitere war unklar, die Frau mit dem furchtbaren Maskenkopf und die andere mit den Krallen – der Messerstoß in ihren Bauch erinnerte ihn auch noch an ir gend etwas, er hoff te es noch zu fi nden – die Stimmung von Mord und 485
    Todesgefahr war seltsam und grell vermischt mit der von Th
    eater, Masken und Spiel.
    Beim Gedanken an die Frau und das Messer sah er einen Augenblick deutlich sein eheliches Schlafzimmer vor sich. Da mußte er an die Kinder denken – wie hatte er die verges sen können! Er dachte an sie, wie sie morgens in ihren Nachthemdchen aus den kleinen Betten kletterten. Er mußte an ihre Namen denken, besonders an Elly. Oh, die Kinder! Langsam liefen ihm Tränen aus den Augen über das über nächtige Gesicht. Er schüttelte den Kopf, erhob sich mit eini ger Mühe und begann Laub und Erdkrumen von seinen zer drückten Kleidern zu lesen. Nun erst erinnerte er sich klar dieser Nacht, der kahlen Steinkammer in der Dorfschenke, der fremden Frau an seiner Brust, seiner Flucht, seiner ge hetzten Wanderung. Er sah dies kleine, entstellte Stück Le ben an, wie ein Kranker die abgezehrte Hand, den Ausschlag an seinem Bein anschaut.
    In gefaßter Trauer, noch mit Tränen in den Augen, sagte er ganz leise vor sich hin: »Gott, was hast du noch mit mir im Sinn?«
    Aus den Gedanken der Nacht klang nur die eine
    Stimme voll Sehnsucht in ihm fort: nach Reifsein, nach Heimkehr, nach Sterbendürfen. War denn sein Weg noch weit? War die Heimat noch fern? War noch viel, viel Schweres, war noch Unausdenkliches zu leiden? Er war bereit dazu, er bot sich hin, sein Herz stand off en: Schicksal, stoß zu!

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    Langsam kam er durch Bergwiesen und Weinberge
    gegen die Stadt hinabgeschritten. Er suchte sein Zimmer auf, wusch und kämmte sich, wechselte die Kleider.
    Er ging speisen, trank etwas von dem guten Wein und spürte die Ermüdung in den steifen Gliedern sich lösen und wohlig werden. Er er kundigte sich, wann im Kursaal getanzt werde, und ging zur Teestunde hin.
    Teresina tanzte eben, als er eintrat. Er sah das eigentüm lich glänzende Tanzlächeln auf ihrem Gesicht wieder und freute sich. Er begrüßte sie, als sie zu ihrem Tisch zurück ging, und nahm dort Platz.
    »Ich möchte Sie einladen, heute abend mit mir nach Castiglione zu fahren«, sagte er leise.
    Sie besann sich.
    »Gleich heut?« fragte sie. »Eilt es so sehr?«
    »Ich kann auch warten. Aber es wäre hübsch. Wo
    darf ich Sie erwarten?«
    Sie widerstand der Einladung nicht und nicht dem kindli chen Lachen, das für Augenblicke seltsam hübsch in seinem zerfurchten, einsamen Gesicht hing, wie an der letzten Wand eines abgebrannten und eingerisse-nen Hauses noch eine frohe bunte Tapete hängt.
    »Wo waren Sie denn?« fragte sie neugierig. »Sie waren ge stern so plötzlich verschwunden. Und jedesmal haben Sie ein anderes Gesicht, auch heute wieder. – Sie sind doch nicht Morphinist?«
    Er lachte nur, mit einem seltsam hübschen und etwas fremdartigen Lachen, bei dem sein Mund und Kinn 487
    ganz knabenhaft aussahen, während über Stirn und Augen unver ändert der Dornenreif lag.
    »Bitte, holen Sie mich gegen neun Uhr ab, im Restaurant des Hotel Esplanade. Ich glaube, um neun geht ein Boot. Aber sagen Sie, was haben Sie seit gestern gemacht?«
    »Ich glaube, ich war spazieren, den ganzen Tag, und auch die ganze Nacht. Ich habe eine Frau in einem Dorf trösten müssen, weil ihr Mann fortgelaufen war. Und dann habe ich mir viel Mühe mit einem italienischen Lied gegeben, das ich lernen wollte, weil es von einer Teresina handelt.«
    »Was ist das für ein Lied?«
    »Es fängt an: Su in cima di quel boschetto.«
    »Um Gottes willen, diesen Gassenhauer kennen Sie auch schon? Ja, der ist jetzt in Mode bei den Ladenmädchen.«
    »Oh, ich fi nde das Lied sehr hübsch.«
    »Und eine Frau haben Sie getröstet?«
    »Ja, sie war traurig, ihr Mann war weggelaufen und war ihr untreu.«
    »So? Und wie haben Sie sie getröstet?«
    »Sie kam zu mir, um nicht mehr allein zu sein. Ich habe sie geküßt und bei mir liegen gehabt.«
    »War sie denn hübsch?«
    »Ich weiß nicht, ich sah sie nicht genau. – Nein, lachen Sie nicht, nicht hierüber! Es war so traurig.«
    Sie lachte dennoch. »Wie sind Sie komisch! Nun, und 488
    ge schlafen haben Sie überhaupt nicht? Sie sehen danach aus.«
    »Doch, ich habe mehrere Stunden geschlafen, in einem Wald dort oben.«
    Sie blickte seinem Finger nach, der in die Saalecke

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