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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Jüngeren lebte sie gewiss noch bei ihrem Mann im Wald, nicht in Rouen.
    Die Wärme und die vielen Überfälle auf Klöster hatten ihn träge gestimmt – nun konnte es ihm nicht mehr schnell genug gehen, und er gönnte weder den Pferden noch den Männern eine Pause. Diese dachten, dass er in Richtung Cotentin ritte, dort, wo noch Aufständische zu vermuten waren, doch nachdem sie die Grenze zur Normandie überschritten hatten und an einer Wegzweigung innehielten, deutete er gen Osten.
    »Du willst in die Nähe von Rouen? Aber das ist zu gefährlich!«
    »Wovor sollte ich Angst haben? Wir sind bewaffnete Normannen, nichts weiter. Wer sieht uns an, dass wir Graf Richard nicht dienen, sondern ihm feindlich gesinnt sind?«
    »Aber was sollen wir in der Hauptstadt? Wir sind zu wenige, um erneut zum Schlag anzusetzen. Erst gilt es, im Cotentin Rückhalt zu finden!«
    Agnarr überlegte. »Gewiss, und deswegen reitet ihr vor. Ich komme bald nach und stoße wieder zu euch … ich habe noch etwas zu erledigen.«
    Er wartete die Zustimmung nicht ab, sondern trieb sein Pferd in den Wald. Dass er nicht tagelang vergebens durchs Dickicht streifte, sondern früher als erwartet auf die Hütte stieß, war ihm ein Zeichen, dass er endlich Genugtuung bekommen würde und dass er, wenn es vorbei war, nie wieder von Berit träumen würde.
    Die Frau, die er als Erstes in der Hütte traf, war weder jung noch blond noch schwächlich, sondern ein altes, vertrocknetes Weib, dessen kreischende Stimme ihn an Aegla erinnerte. Als sie hochblickte und seiner ansichtig wurde, reagierte sie nicht etwa erschrocken, sondern empört.
    »Was habt Ihr hier verloren?«
    Er öffnete den Mund, um ihr ein knappes »Schweig!« zuzurufen, doch der Widerwille dagegen, seine Zunge anzustrengen war zu groß.
    Widerliche Vettel!, dachte er, folgte dem Hass auf seine Mutter und der Freude, dass dieser nicht vom Unbehagen beschmutzt war, das er in Aeglas Gegenwart immer gefühlt hatte. Er hob das Schwert und schlug die Alte kaltblütig entzwei. Als sie zu Boden sackte, waren ihre Augen weit aufgerissen. Immer noch stand keine Furcht darin, nur Empörung; der Tod war zu schnell gekommen, als dass er sie Demut und Angst gelehrt hätte. Schnaubend stieg Agnarr über das schroffe Weib hinweg, sah sich um, wartete, bezähmte seine Ungeduld. Dass er die Alte erschlagen hatte, hatte sein Mütchen gekühlt. Von nun an würde er sich nicht mehr von Gefühlen hinreißen lassen, die Rache vielmehr kalt genießen.
    Verhindern, dass ihm das Blut heiß durch die Adern floss, konnte er trotzdem nicht, als wenig später eine junge Frau erschien. Erst sah sie den Leichnam der Alten und schrie, dann sah sie ihn und verstummte vor Schreck. Ihr Körper bebte, die Wangen wurden fahl, die Augen waren weit aufgerissen. Falls sie wirklich mit der schwarzen Dänin verwandt war, hatte diese ihr nicht beigebracht, sich zu beherrschen.
    »Was … was willst du?«, stammelte sie. »Mein Mann ist nicht da, der Grundherr hat ihn zu sich gerufen, aber bald … bald kommt er zurück.«
    Einen weniger, den ich zu töten habe, dachte Agnarr zufrieden.
    Ob er die junge Blonde töten wollte, wusste er nicht genau. Er hatte es zwar eigentlich fest im Sinn gehabt, doch wenn sie tot war, konnte sie Gunnora nicht berichten, was er ihr angetan hatte. Nein, besser sie starb nicht, besser er begnügte sich mit dem Schänden, Quälen, Verletzen. Danach könnte er sie nach Rouen bringen, vor dem Hof absetzen, sich ausmalen, wie Gunnora auf ihren Anblick reagierte.
    Wie erstarrt stand er da, doch jetzt wandte sich die Frau zur Tür, versuchte zu fliehen. Er setzte ihr mit einem Sprung nach, bekam sie an den Haaren zu packen und riss sie daran zurück, so hart, dass er ein Büschel in der Hand hielt.
    »Sag mir deinen Namen! Sag mir, aus welcher Sippe du abstammst!«, bellte er.
    So groß wie ihre Schmerzen war ihre Überraschung. Auf die erste Frage antwortete sie schnell – sie hieß Seinfreda, aber das war ihm egal –, auf die zweite Frage folgte nur Gestammel.
    »Dänen … ermordet … du …«
    Er hatte die Hand erneut gehoben, um sie zu schlagen, als ihm aufging, was ihre Worte bedeuteten. Sie klagte ihn an, der Mörder ihrer Eltern zu sein.
    Agnarr grinste breit. »Du bist tatsächlich Gunnoras Schwester!«
    Sie presste die Lippen fest aufeinander. Er stieß sie fort, packte sie wieder, dieses Mal am Genick, überlegte kurz, den Kopf gegen die Bank zu stoßen. Wenn ihre Haut fein wie das Haar war,

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