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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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würde sie platzen, und ihre Knochen würden brechen.
    »Sag es mir, oder du bist tot!«, schrie er sie an.
    Sie sagte nichts. Eine andere tat es an ihrer statt. Sie war nicht ganz so schmal, wirkte jedoch viel hoheitsvoller, stolzer und erinnerte ihn ein wenig an Gunnora. Er hatte nicht gehört, wie sie die Türschwelle übertreten hatte.
    »Ja, sie ist ihre Schwester.«
    Vor Verblüffung ließ er Seinfreda los. Diese wagte nicht erneut zu flüchten, sondern kauerte sich in einen Winkel. Auch wenn er ihr die Knochen nicht gebrochen hatte, nichts war da, das sie aufrecht hielt. Die andere hingegen straffte den Rücken.
    »Und wer bist du?«, fuhr Agnarr sie an. Er hätte schwören können, dass auch sie eine der dänischen Schwestern war, doch ihre Worte verhießen etwas anderes.
    »Ich bin eine, die Gunnora hasst … wie’s scheint genauso wie du.«
    Als ihr Blick auf Hildes Leichnam fiel, zuckte sie kaum merklich zusammen, doch ihre Miene verriet weder Furcht noch Ekel oder Grauen.
    »Alruna …«, stöhnte Seinfreda.
    Jetzt wusste er also, wie die Zweite hieß. Mit dem Namen konnte er nichts anfangen, und er war auch nicht sicher, ob ihm ihr Hass nützte. Kurz überlegte er, sie zu schlachten wie die Alte, doch ehe er sich dazu entschied, kam sie einen Schritt näher.
    »Lass sie in Ruhe. Du willst doch Gunnora … nicht sie.«
    Sie deutete auf Seinfreda, die wohl doch nicht so zimperlich war wie vermutet. Sie hatte sich wieder erhoben, suchte Alrunas Blick, schüttelte heftig den Kopf. Die allerdings tat, als würde sie es nicht bemerken.
    »Ich … ich könnte sie holen«, sagte sie.
    Zu verführerisch war das Angebot, ihm zu trauen. »Nur sie oder auch Graf Richards Krieger?«, brüllte Agnarr.
    Alruna lächelte. »Wenn sie weiß, dass ihre Schwester in deinen Händen ist, würde sie alles tun, um deren Leben zu retten. Sie würde ohne zu zögern ihr eigenes geben.«
    Er hielt sein Schwert fest umklammert, spürte das Blut der alten Vettel auf seiner Hand erkalten und verkrusten.
    Jene Alruna trat noch näher zu ihm. »Du willst sie am Boden sehen und ich auch. Warum sollten wir nicht unsere Kräfte bündeln? Warum nicht einen Pakt schließen, der uns beiden dient? Du bleibst hier, und ich kehre bald mit ihr zurück.«
    Agnarr war unschlüssig. Von Aegla und Berit hatte er nicht nur gelernt, Frauen zu verachten, sondern vor allem, ihnen zu misstrauen.
    »Ich dachte, du hättest deinem Hass abgeschworen«, stöhnte Seinfreda verzweifelt. »Wie kannst du das nur tun?«
    Alruna blickte sie kühl an. »Es war ein Fehler, mich an dem Kind zu vergreifen … aber nicht, auch nach ihrem Leben zu trachten.«
    Agnarr musterte die beiden Weiber nachdenklich und hätte plötzlich schwören können: Es war ein Leichtes, Liebe zu heucheln, aber nicht Hass. Und es war ein Leichtes, ihm Angst vorzuspielen, aber nicht Zorn. Er glaubte Alruna. Und er glaubte Seinfreda.
    »Ich gebe dir drei Tage«, fuhr er Alruna an, ehe er langsam auf Seinfreda zutrat und sie wieder an den Haaren packte. »Wenn diese vorüber sind und du nicht mit Gunnora zurückgekehrt bist, ist sie tot. Und falls dich das nicht weiter berührt, weil dir an ihrem Leben nichts liegt, so schwöre ich dir bei allen Göttern: Ich werde dich quälen und töten, wenn du mich zu hintergehen wagst, vor meinem Zorn und meiner Rachsucht wird selbst Graf Richard dich nicht schützen können. Kehre zurück, oder du bleibst den Rest deiner Tage eine Gejagte.«
    Alruna lief durch den Wald.
    Drei Tage, hämmerte es in ihrem Kopf, drei Tage, um mich durchs Dickicht zu kämpfen, den Weg nach Rouen hinter mich zu bringen und wieder zurück in den Wald zu kehren. Drei Tage sind doch viel zu kurz, was, wenn ich mich verirre, wenn ich nicht aus dem Wald finde oder später nicht mehr zurück zu Samos Hütte.
    Sie konnte sich nicht erinnern, wie lange Arfast und sie damals zu Pferde unterwegs waren, wünschte sich nur, dass sie sich eine längere Frist ausbedungen hätte. Allerdings – Agnarr hatte nicht den Eindruck erweckt, als ließe er mit sich verhandeln. Das hier war ihre einzige Chance.
    Sie lief und lief, hielt irgendwann an einem Bach inne, trank vom Wasser. Die Brust schmerzte vom Laufen, die Fußsohlen brannten, dennoch, sie musste sich beeilen, sie musste weiterlaufen. Als sie sich erhob, erstarrte sie. Sie hörte das Schnauben eines Pferdes – war sie etwa nur im Kreis gelaufen und unfreiwillig zurück zur Hütte gekehrt? Oder gehörte das Pferd gar nicht dem Mann,

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