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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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gebracht, aber Reichtum. Noch mehr Klöster hatten sie überfallen und alles geraubt, was ihnen unter die Finger kam: Monstranzen, Kandelaber und ein paar Ziegen, die sie später schlachteten, um das Fleisch zu essen. Aus den meisten Gotteshäusern waren die Mönche vor ihrem Eintreffen geflohen, doch in einem stießen sie auf zwei alte, gebeugte und halb blinde. Sie zu töten verlangte weder Tapferkeit noch Kraft, Agnarr tat es dennoch. Die Männer, die ihm noch folgten, brauchten ein Zeichen, dass sie auf den richtigen Anführer gesetzt hatten, und die mit Edelsteinen geschmückten Gegenstände aus Silber und Gold, die sie in Händen hielten, und das vergossene Blut, das im sandigen Boden versickerte, waren ihnen fürs Erste Beweis genug. Vielleicht waren sie überdies so tumb und verwechselten Raffgier und Grausamkeit mit Ruhm.
    Sie schliefen nachts satt und wohlig, Agnarr hingegen wurde von Träumen gepeinigt. Er setzte sein Tagewerk in ihnen fort, schlug Köpfe ab, versenkte sein Schwert in Brust und Bauch. Doch die Leichen, mit denen er die Welt pflasterte, blieben nicht blicklos liegen. Leben kehrte in sie zurück, sie erhoben sich, rannten ihm zwar blutend, aber höchst wendig hinterher und lachten ihn aus. Manchmal glichen sie der schwarzen Dänin und noch häufiger Berit.
    Sie war ein schönes Weib gewesen, jetzt war ihr Gesicht eine Fratze, und ihre rotgoldenen Locken glichen Schlangen.
    »Man siegt nicht, indem man tötet«, lästerte sie, »man siegt, indem man lebt. Als ich durch meine eigene Hand fiel, blieb der wichtigste Teil von mir heil, dein Herz aber starb, und so viel Blut kannst du nicht vergießen, auf dass es wieder schlägt. Ich habe nicht mich umgebracht, sondern dich …«
    Blut quoll aus ihrem Mund, während sie sprach, die Wörter gingen in Gurgeln über, die Schlangen fielen von ihrem Kopf ab und flüchteten vor dem grässlichen Wesen. Nur Agnarr konnte nicht fliehen. Wie erstarrt musste er die Schmährede über sich ergehen lassen, die Ohnmacht, ihr nicht beizukommen, die Angst, weiterhin in ihrem Blut zu waten, anstatt endlich wieder auf fruchtbarem Boden zu wandeln.
    Des Nachts konnte er Berit nicht entgehen, tagsüber trieb er seine Männer umso mehr an. Und nach einigen Monaten entschied er: »Wir kehren um!«
    Wer murrte, den schlug er. Wer noch einmal den Mund aufmachte, dem hieb er den Kopf ab. Respekt erntete er dafür nicht, aber genügend Angst, um die Truppe beisammenzuhalten, und bei Tageslicht zu töten war eine größere Wohltat als nachts in den Träumen.
    Auf dem Rückweg stieß er auf keine Spur seiner Mutter, aber während er nach ihr Ausschau hielt und ihn die Vorstellung, sie irgendwo noch lebend anzutreffen und erneut ihre kreischende Stimme hören zu müssen, mehr und mehr unbehaglich stimmte, kam ihm plötzlich ein Gedanke, und das so klar, so deutlich, dass er sich heftiger beschimpfte, als Aegla es jemals hätte tun können.
    Welcher Dummkopf ich war! Wie blind!
    Es gab ja doch einen Weg, die schwarze Dänin, Gunnora, zu bestrafen, es ihr heimzuzahlen, dass sie ihn zum Narren gemacht hatte, als ihr die Flucht gelang, und noch mehr, als sie ihm an Richards Seite die Dänen abspenstig gemacht hatte. Um sie zu treffen, tat es gar nicht not, sie erneut in die Hände zu bekommen, sie zu schlagen, sie zu schänden. Auch anders gelänge es ihm, Furcht zu säen, Verzweiflung, Schmerz, all das also, was sie ihm schuldig geblieben war.
    Die Mädchen, die sie damals bei sich gehabt hatte und mit denen sie geflohen war, die Mädchen, die ihn nicht weiter interessiert hatten, waren … ihre Schwestern. Und zwei hatte er schon einmal gesehen, so fiel ihm jetzt wieder ein, mit einer sogar gesprochen – damals im Wald. Hinterher hatte er sich geärgert, dass sie ihm die falsche Richtung gewiesen hatte, jedoch nie überlegt, woher sie kam und in welcher Verbindung sie zur schwarzen Dänin stand. Später hatte er sie und ihre kleine Schwester erneut gesehen, aber nur flüchtig gemustert – bei diesem Waldhüter und seiner blonden, schwächlichen Frau.
    Was für ein Narr er gewesen war, all den Weibern nicht mehr Beachtung zu schenken! Warum hatte er bloß so viel gehasst und so wenig nachgedacht!
    Jetzt dachte er nach und kam zum Schluss: Nicht nur die Kleinen, auch die Blonde musste eine Schwester oder zumindest eine Verwandte Gunnoras sein, denn wenn so wenige Menschen in einer so unwirtlichen Gegend lebten, gehörten sie wohl alle zur gleichen Sippe, und anders als die

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