Meisterin der Runen
Lothar –, jedoch, da die Männer zu weit entfernt standen, nicht, was über all diese Widersacher Richards zu verkünden war. Richard hingegen verstand sie allzu gut. Er lachte nicht, er war leichenblass.
Hastig wendete er sein Pferd, sagte nun selbst etwas zu seinen Getreuen. Wieder verstand es Alruna nicht, doch da nun fast alle kehrtmachten, war sie sicher, dass er dies befohlen hatte.
»Was … was ist denn?«
Niemand antwortete ihr, ein jeder gab dem Pferd die Sporen, auch Arfast dem seinen, ohne die Zügel von ihrem loszulassen. Ein Teil der Männer – die Leibknechte darunter – blieben zurück, desgleichen die Basterna, hätten sie Richards Flucht doch nur unnötig aufgehalten. Und eine Flucht war es, das konnte Alruna nicht nur am Tempo, sondern an den angespannten Gesichtern erkennen.
Sie erreichten den Fluss, überquerten ihn wieder an gleicher Stelle wie am Morgen, legten erst danach eine kurze Rast ein.
»Was … was ist denn?«, fragte Alruna wieder.
Niemand war bereit, mit ihr zu reden – Arfast jedoch stieß nicht nur auf Schweigen. Als er zu ihr zurückkam, nachdem er Erkundigungen eingezogen hatte, war er blass wie Richard.
»Du hattest von Anfang an recht.«
Die beiden Krieger hatten vor einem Attentat gewarnt – von niemand anderem geplant als von Bischof Bruno und Thibaud le Tricheur. Eigentlich dienten die zwei Thibaud, doch da er ihnen versprochene Länder schuldig geblieben war, schlugen sie sich auf Richards Seite, gewiss, dass er ihnen den Verrat lohnen würde. Nur einen halben Tagesritt entfernt hatte ihren Worten zufolge das Verderben gelauert.
Als Arfast endete, stand nicht nur Betroffenheit, sondern auch Ehrfurcht in seinem Gesicht geschrieben.
Alruna empfand erst Genugtuung, dann Erleichterung … zuletzt wieder Mitleid und Liebe. Nicht länger schlug sie die Augen nieder; ihr Blick suchte Richard, und sie nahm ihn alsbald in der Ferne wahr, immer noch blass, aber auch zornig und verwirrt. Es war der Ausdruck von einem, der immer wieder vom Tod bedroht wurde und es immer noch nicht fassen konnte, dass ihm die Schicksalsmächte ausgerechnet diese Rolle zugedacht hatten.
Da war kein Hadern mehr in Alruna. Nun hätte sie gern gehört, wie er lachte, aber er tat es nicht mehr.
Auch am Abend ertönte immer noch kein Lachen aus Richards Kehle, stattdessen ein Fluchen. Ihre Truppe war auf die von Raoul von Ivry gestoßen, und gemeinsam beratschlagten sie, was zu tun war.
Raoul, ansonsten immer spöttisch, starrte nachdenklich in die Flammen des Lagerfeuers. Richard hingegen ging unruhig davor auf und ab.
»Ich hätte übel Lust, meinerseits einen Attentäter zu Bruno zu schicken!«, rief er erbost. »Gott verdamme seine schwarze Seele!«
»Das wäre keine gute Idee«, gab Raoul zu bedenken. »Er ist ein Geistlicher, und ganz gleich, wie niederträchtig er dich in eine Falle locken wollte – wenn du sein Blut vergießt, wirst du den Ruf niemals los, das Kindeskind mörderischer Heiden zu sein.«
»Dieser Ruf haftet doch ohnehin an mir! Seit ich denken kann, umlauern sie mich wie Geier, um mir mein Reich zu rauben.«
»Dagegen kannst du nichts tun – selbst wenn du Bruno töten lässt.«
Richard nickte nachdenklich. »Das Einzige, was ich tun kann, ist, keine Furcht zu zeigen.«
»Und du kannst Bruno bloßstellen, indem du ihn in Beauvais vergeblich auf dich warten lässt, sodass er bis zum letzten Augenblick glaubt, sein Ränkespiel ginge auf.«
Nun blitzte doch ein wenig Spott in Raouls Augen auf – in denen von Richard hingegen weiterhin nicht. Alruna nahm wieder Härte und Kälte an ihm wahr und noch etwas anderes: Trotz. Es war auch für sie ein vertrautes Gefühl, ein gutes Rüstzeug zum Überleben – wurde man nun von Mördern oder unglücklicher Liebe heimgesucht –, und dennoch hätte sie es vorgezogen, er würde seinen Schmerz offen zeigen, anstatt so beherrscht zu wirken, fremd und ausdruckslos, als er einen Boten nach Beauvais schickte, um Bischof Bruno wissen zu lassen, dass seine Ankunft sich verzögere, er aber in jedem Falle komme. Danach erwies er Thibauds Männern, die sich auf seine Seite geschlagen hatten, seinen Dank, indem er ihnen Geschenke machte: Der eine bekam eine Lanze mit vergoldeter Spitze, der andere einen Edelstein.
Dämmerung senkte sich über das Land, als sie gebeugten Hauptes von dannen schlichen und es nichts mehr für den Grafen zu tun gab. Erst in diesem Augenblick besann er sich Alrunas und trat zu ihr.
»Ich hätte deinen
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