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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Wiederkehr würden sie nicht nur ihr, sondern auch Arfast bittere Vorwürfe machen. Doch alles, alles wollte sie in Kauf nehmen, wenn sie nur Richard in Sicherheit wusste.
    Lachhaft schien es, an ihrer unerwiderten Liebe je gelitten zu haben. Und wenn er sie nie wieder ansah – gern wollte sie damit leben, solange er wohlbehalten war!
    Obwohl sie nie zu den weiblichen Wesen gehört hatte, die Kraft aus dem Gebet zogen, befand Alruna sich nun in ständiger Zwiesprache mit Gott. Sie handelte mit ihm, indem sie ihm viele nächtliche Stunden versprach, die sie fastend und wachend in seiner Kapelle knien wollte – vorausgesetzt, sie kamen nur rechtzeitig an. Insgeheim fragte sie sich zwar, was Gott daran gefallen sollte, dass ein junges Mädchen hungrig war, schlaflos und schmerzende Knie hatte, aber irgendeinen Nutzen musste der Allmächtige daraus ziehen, sonst hätten sie Richards Truppe bei einbrechender Dämmerung nicht endlich eingeholt.
    Genau betrachtet war ihnen nicht Gott zu Hilfe gekommen, sondern der hohe Wasserstand der Flüsse. Um einen von diesen zu überqueren, fehlte eine Brücke, weswegen es eine gangbare Furt zu benutzen galt, und wer nicht wusste, wo sich diese befand, drohte zu ertrinken. Die Männer von Richards Leibwache waren sich offenbar nicht sicher, denn sie gingen unruhig am Flussufer auf und ab und starrten in die graugrünen Fluten, während Richards Leibknechte ein Zelt aufschlugen, es mit Polstern und Fellen auslegten und mit Basterna abschirmten – jenen Fahrzeugen, niedrig und wasserdicht, die Waffen und Vorräte transportierten. Die Entscheidung, wo genau man den Fluss überqueren sollte, war wohl auf den kommenden Tag vertagt worden.
    Es war so finster, dass Alruna kaum noch etwas sehen konnte. Müdigkeit überkam sie, sodass sie vermeinte, gleich vom Pferd zu fallen. Auch Richard schien nichts zu erkennen. Als seine Männer ob des unerwarteten Hufgetrappels ihre Waffen zogen, hielt er sie nicht auf. Erst als Alruna seinen Namen rief, gab er den Befehl innezuhalten, und lief auf sie zu.
    »In Gottes Namen, was machst du hier?«
    Erschöpfung und Aufregung schnürten ihr die Kehle zu. Sie brachte kaum ein Wort hervor, und die wenigen, die sie stammelte, schienen verworren. »Bruno … plant Übles … seine Einladung … Hinterhalt … wirst sterben, ehe du Beauvais erreichst.«
    Das übliche neckische Lächeln schwand nicht von Richards Lippen, doch seine Stirn runzelte sich. »Was redest du da?«
    Er streckte die Hand aus, um ihr vom Pferd zu helfen. Alruna rang nach Atem, aber konnte nichts mehr sagen.
    »Du musst den ganzen Tag durchgeritten sein!«, stellte Richard erstaunt fest. »Und Arfast … was macht er hier? Ist er etwa dein einziger Begleiter? Das ist doch …«
    »Du darfst nicht nach Beauvais! Kehr um, sonst bist du des Todes!«
    Sie hörte das Murmeln der Männer und das Rauschen des Flusses. Richard sagte gar nichts mehr. Was sie in seiner Miene las, setzte ihr zu – nicht nur Sorge und Befremden nämlich, sondern sein andauerndes Lächeln.
    Sie ergriff seine Hände. »Bitte, glaub mir! Der Traum, der mich quälte, war eine Botschaft Gottes! Unmöglich, dass ich mich irre!«
    Er schüttelte den Kopf. »Wie kannst du dir so sicher sein?«
    Sie fühlte, wie ihre Knie bebten, Schwindel in ihr hochstieg und Müdigkeit sie lähmte. Nicht länger ihrer Sinne mächtig, sprudelte die Wahrheit aus ihr heraus.
    »Ich bin mir sicher, weil ich dich liebe. Ich liebe dich viel mehr als einen Bruder, ich habe dich immer geliebt, mit ganzer Seele, ganzem Herzen und ganzer Kraft. Gott weiß davon, darum hat er mir den Traum geschickt. Bleib an meiner Seite, kehre mit mir nach Rouen zurück, dann wird dir nichts zustoßen.«
    Nun hörte sie nicht mehr den Fluss rauschen, sondern ihr eigenes Blut. Wie heiß es war, kaum waren ihre Worte verklungen. Und wie rasch es erkaltete, als sie sah, dass Richard nicht mehr lächelte.
    Am nächsten Morgen fanden die Männer doch noch eine Furt, durch die sie den Fluss überqueren konnten. Das Wasser war kalt, aber nicht reißend, schmutzig und grau, auch nicht sonderlich tief; die Pferde fanden bald einen sicheren Tritt, und wenig später erreichten sie das andere Ufer. Von dort ging es westwärts weiter.
    Richard hatte sich von Alruna nicht bewegen lassen umzukehren, er hatte – sobald er nach erster Verwirrung die Fassung wiederfand – vielmehr gelacht. Ob der Spott ihrem Traum oder dem Liebesbekenntnis galt, wusste Alruna nicht. In jedem

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