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Meisterin der Runen

Meisterin der Runen

Titel: Meisterin der Runen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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Warnungen trauen sollen«, sagte er hastig, »es tut mir leid.« Nun lachte er wieder, aber es klang freudlos.
    »Das Wichtigste ist, dass du lebst«, murmelte sie matt und wandte sich ab.
    »Warte!«
    Sie drehte sich um und las verspätet Verletzlichkeit in seinen Zügen.
    »Es gibt nur wenige Menschen, denen ich vertrauen kann«, murmelte er. »Du … du und deine Familie … ihr gehört dazu.«
    Da war sie wieder, jene gefürchtete Auszeichnung, wonach sie ihm so etwas wie eine Schwester war, doch plötzlich konnte sie nichts Falsches darin finden, nur die Sehnsucht eines Mannes, der in einer Welt voller Feinde einen Kreis Vertrauter braucht. Bei ihnen wollte er Ruhe finden – nicht von Liebesbekenntnissen aufgewühlt werden.
    Sie leckte sich die Lippen.
    »Was ich dir sagte … dass ich dich lieben würde … das war natürlich gelogen … ich beteuerte es nur, damit du mir glaubst. Du … du bist wie ein Bruder für mich.«
    Nun war sie es, die lachte, und er tat ihr den Gefallen, nicht auf das Echo dieses Lauts zu achten, das nicht von Spott kündete, nur von einer dreisten Lüge.
    »Aber natürlich!«
    Er zog die Schultern hoch, als müsste er sich schützen, und ging davon.
    Alruna fühlte sich wie benommen. Richard ließ Bischof Bruno vergebens warten, um seinen Stolz zu wahren, und wenn sie nach Rouen zurückgekehrt waren, würde sie ihn für einige Wochen meiden, um gleichem Stolz Genüge zu tun. Aber dieser Stolz glich dem Kettenhemd der Krieger. Es schützt vor Wunden, aber es wärmt nicht in der Nacht. Und nach diesen Tagen war auch ihre Liebe nicht länger geschmeidig. Sie ließ sie nicht erblühen wie eine Frühlingsblume, sondern legte ihr eine ebenso schwere wie harte Rüstung an.

    Agnarr saß in jenem Hochstuhl, auf dem früher sein Vater gethront hatte. Er hatte auch dessen Ringe angelegt und seinen Helm, trug sein Schwert und trank aus seinem Humpen. Nur Guomundrs Pferd hatte sich störrisch geweigert, einen neuen Herrn anzuerkennen, und ihn abgeworfen, kaum dass er es bestiegen hatte. Agnarr hatte es kein zweites Mal versucht und ihm die Kehle durchgeschnitten.
    Anders als das Tier kannten die Männer im Gefolge seines Vaters keine Treue, die über den Tod hinaus währte. Sie unterwarfen sich ihm, weil er sich gegenüber Guomundr als der Stärkere erwiesen hatte. Und nun galt es, diese Stärke Tag für Tag aufs Neue zu beweisen, sonst würden sie ohne zu zögern zum nächsten Anführer überlaufen. Das fiel ihm allerdings schwerer als gedacht.
    Ich bin verflucht, dachte er, verhext.
    Er musste sich zusammenreißen, um sich nicht trübsinnigen Gedanken zu überlassen, sondern stattdessen aufmerksam dem Bericht eines Boten zuzuhören. Eben hatte dieser das Langhaus betreten und vom Attentat Kundschaft getan, dem Graf Richard beinahe zum Opfer gefallen wäre. Zum Greifen nahe war das Ziel gewesen; er hätte sich nicht einmal selbst die Hände schmutzig machen müssen. Doch irgendwie hatte es Richard geschafft, seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen, und Agnarr war im Trachten, die Herrschaft in der Normandie an sich zu reißen, keinen Schritt weitergekommen.
    »Verflucht!«, schimpfte er, um gleich darauf die Lippen aufeinanderzupressen.
    Er wollte doch nicht laut werden, wollte seine Gefühle nicht zeigen! Er wollte, dass die Menschen erschauderten, sobald er auch nur den Blick auf sie richtete, und nicht erst, wenn er das Schwert zog.
    »Wie viele Getreue haben wir?«, fragte er etwas gemäßigter in die Runde der Männer, die wie er den Ausführungen des Boten gelauscht hatten.
    »In Rouen ein paar Dutzend, an der Küste kaum mehr. Am stärksten finden wir im Cotentin Rückhalt. Aber selbst wenn wir die Kinder unserer Getreuen mitzählen, sind es immer noch zu wenig Mannen, um Richard zu stürzen.«
    Wieder lag Agnarr ein Fluch auf den Lippen, doch er verkniff ihn sich. Wie viele Menschen hatte er in den letzten Jahren abgeschlachtet und das Gerücht gestreut, es sei Richard gewesen, um Hass und Rachegelüste zu säen! Und wie nutzlos war all das vergossene Blut! Es schrie nicht zum Himmel, es war auf Erden vertrocknet.
    Das der schwarzen Dänin ist auch nicht geflossen, kam ihm jäh in den Sinn. Tagelang, ja wochenlang hatte er Männer ausgeschickt, um den Wald zu durchforsten, doch sie waren nicht fündig geworden.
    Vielleicht war es ja die schwarze Dänin gewesen, die ihn verhext hatte. Oder der Geist Guomundrs.
    »Was sollen wir tun?«, fragte einer der Männer.
    »Warten«, presste Agnarr

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