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Meleons magische Schokoladen

Meleons magische Schokoladen

Titel: Meleons magische Schokoladen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann-Merit Blum
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welche Lesart man bevorzugt. Soweit wir nun wissen, ist er neben mir der einzige überlebende große Magier. In unserer Heimat gibt es zwar Zauberer im Überfluss, aber sie widmen sich der alltäglichen Magie. Noshar war gemeinsam mit mir Mitglied der Schule der Macht . Und wir erwarben Macht, jeder auf seine Weise. Unsere Lehrmeister achteten sehr genau darauf, uns jeweils Verschiedenes zu lehren, denn jeder durfte nur ein Achtel allen verfügbaren Wissens besitzen – als Großmagier ein Viertel. So kontrollierten sich die vier Großen gegenseitig, damit keiner den König stürzen und die Krone an sich reißen konnte. Aber alles sollte ganz anders kommen.“ Er sah in seine Tasse. „Magier sind arrogant. Sie verlassen sich zu sehr auf ihre Fähigkeiten. Diese Lektion habe ich unter Blut und Tränen als Letzte gelernt. Dann war die Welt, die ich kannte, für immer dahin.“
    Isabell legte Niklas die Hand auf den Arm, denn schon wieder waren seine Wangen nass. Meleons bemerkte es und schickte ihn nach unten, ein spätes Abendessen zuzubereiten.
    „Niklas trägt schwer an seinen Erinnerungen“, sagte er. „Wir nahmen ihn ins Haus, nachdem seine Eltern tot waren, und nach nur zwei Jahren verlor er noch einmal fast alle, die sein Leben ausmachten. Daher hängt er umso mehr an mir. Aber ich höre in meiner eigenen Stimme zu viel Sentimentalität.“ Er stand auf. „Ich werde Sie nun nach Hause bringen. Es ist spät und Ihre Eltern werden sich nicht mit Ausreden abspeisen lassen. Ich will nur schnell ein wenig Konfekt einpacken.“

    Neben Meleon durch dunkle Straßen zu laufen, war nicht halb so beängstigend, wie nachts allein unterwegs zu sein. Trotzdem sie sein Gesicht kaum erkennen konnte, vermittelte er ein Gefühl der Ruhe und Selbstsicherheit. Erst als sie ein erleuchtetes Fenster passierten, fiel ihr auf, dass er noch die langen Gewänder und die eng anliegende Kappe trug, die er nach seiner Rückverwandlung angelegt hatte.
    „Ihre Kleider, Herr Meleon!“
    „Die Kleider eines Hofmagiers“, erwiderte er.
    „In unserem Haus werden sie... verschroben wirken.“
    „Nicht im Geringsten“, behauptete er.
    Kurz vor der Haustür fühlte Isabell, wie es ihr vor lauter Nervosität die Kehle zuschnürte. Ihre Eltern würden außer sich sein. Nicht nur, dass sie spät kam, sondern in Begleitung des Mannes, dessen Umgang sie ihr ausdrücklich verboten hatten. Würden sie in Zukunft noch an die Ausrede mit dem Französischunterricht glauben? Die fremdartigen Kleider würden alles noch schlimmer machen.
    „Danke für die Begleitung, Herr Meleon! Ich denke, es ist besser, wenn Sie nicht noch herein schauen. Es geht auf Mitternacht zu.“
    „Umso mehr“, sagte er freundlich.
    Sie wollte nach dem Schlüssel kramen, da hob er die Hand und die Tür schwang vor ihnen auf. In der Halle flammten die Gaslampen auf.
    Er machte eine wischende Geste. Überall im Haus flogen die Zimmertüren auf. Die große Standuhr schlug Mitternacht, obwohl der Minutenzeiger noch ein gutes Stück von der Zwölf entfernt war. Das Glockenwerk klang lauter und melodischer als sonst.
    Ehe sich Isabell von ihrem Schrecken erholen konnte, kamen ihre Eltern und mehrere Dienstboten von oben. Ihr Vater war noch angekleidet. Ihre Mutter trug ihr Nachtgewand und darüber einen Morgenrock, näherte sich Meleon aber trotz dieser Unschicklichkeit, als würde sie an einem unsichtbaren Faden herangezogen. Meleons Finger schnippten. Wie aufgezogene Spielfiguren, die man jäh anhält, kam alles zum Stehen. Isabells Vater verharrte mit anklagend erhobener Faust und sah ins Leere. Das Zimmermädchen schwebte, mitten im Schritt gefangen, über den Stufen. Meleon zog unter seinem Gewand eine Holzschachtel hervor. Der Deckel sprang von allein auf. Isabell starrte auf die Pralinen, die in silbernen Papiermanschetten saßen.
    „Was haben Sie vor, Herr Meleon?“
    Seine Augen funkelten.
    „Ich kündige hiermit Zurückhaltung und Inkognito auf, jedenfalls, was dieses Haus anbelangt.“
    Das Licht der Gaslampen färbte sich golden. Der Teppich wuchs zu doppelter Florhöhe empor und trug auf einmal ein Wappen. Die Standuhr wandelte ihre Gestalt. Die Glastür öffnete sich und aus dem dunklen Inneren flogen schimmernde Sphären aus sich drehenden konzentrischen Ringen.
    „Meleon!“, protestierte Isabell.
    „Zu spät“, sagte er. „Betrachten wir hiermit meine Visitenkarte als abgegeben.“
    Auf weiteres Fingerschnippen trat ein jedes Mitglied des Haushalts vor,

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