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Melmoth der Wanderer

Melmoth der Wanderer

Titel: Melmoth der Wanderer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles R. Maturin
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freilich durch die Nennung des letzten bezeugt sehen möchten, welcher da lautete: Cotchleen O’Mulligan).
    »Du lügst, du Kanaille«, schnaubte der alte Melmoth. »Ihr Name ist Legion, denn sie sind sonder Zahl, – schmeiß sie hinaus allesamt – aus diesem Zimmer – aus diesem Haus –, denn wenn sie schon winseln bei meinem Verrecken, dann sollen sie auch einen herzhaften Grund dafür haben, – nicht meinen Tod, denn sie würden mich tränenlosen Auges ab- und zur Hölle fahren sehen, – nein, wenn sie schon winseln, dann mögen sie’s bloß um den Whisky tun, den sie mir schon längst gestohlen und ausgesoffen hätten, wäre er ihnen nur unter die Krallen gekommen!« Dies gesagt, faßte der alte Melmoth unter sein Kopfpolster und fuchtelte in hilflosem Triumphe vor den Augen seiner Wirtschafterin mit einem Schlüssel, obwohl diese ja schon längst andere Mittel und Wege gefunden, ganz ohne Wissen Seiner Gnaden an dessen ängstlich gehüteten Branntwein heranzukommen. »Denn was das Fressen betrifft, so hast du ihnen ohnedies die Wampe damit vollgestopft!«
    »Vollgestopft – ach du lieber Herr J...!« entfuhr es der Beschuldigten.
    »Jawohl, das hast du! Und wofür, wenn ich fragen darf, brennen denn hier so viele Kerzen, alle viere wie mir scheint, und unten ist’s dasselbe, dessen bin ich gewiß! Aaah – du – du – nichtsnutziges, verschwendungssüchtiges altes Satansweib!«
    »Aber nein doch, Euer Gnaden, es brennen alle sechse !«
    »Waas – alle sechs?! Und was zum Satan haben alle sechs zu brennen? Du glaubst wohl schon, ihr seid beim Leichenschmaus? Ha?!«
    »Nein, keineswegs, noch nicht, Euer Gnaden, noch nicht!« erscholl der ganze Hexenchor, »erst wenn’s in Gottes Rat beschlossen ist, wie Euer Gnaden wohl wissen!« Doch war’s in einem Ton gesprochen, welcher die Ungeduld nach solchem Schmaus nur schlecht verhehlte. »Ach, wenn Euer Gnaden nur daran denken wollten, ihren Frieden mit der Welt und Gott zu machen!«
    »Das war das erste vernünftige Wort, das ich von euch höre«, sagte der Sterbende. »So holt mir mein Gebetbuch her. Da drüben liegt es, unter dem alten Stiefelknecht! Blast erst die Spinnweben davon herunter, es ist so manches Jahr nicht mehr geöffnet worden.« Die alte Haushälterin reichte es ihm, während er sie mit einem strafenden Blick bedachte. »Was ist eigentlich in dich gefahren, daß du gleich sechs Lichter in der Küche ansteckst, du liederliche Schlampe? Wie lange bist du jetzt schon in diesem Haus?«
    »Ich weiß nicht, Euer Gnaden.«
    »Und hast du je Verschwendung hier erlebt, Vergeudung und dergleichen?«
    »Nein, nie und nimmer, Euer Gnaden.«
    »Hat jemals mehr gebrannt in meiner Küche als eine Groschenkerze?«
    »Nie, niemals, Euer Gnaden.«
    »Warst du nicht stets so kurz gehalten, wie Hand und Hirn und Herz dich halten konnten? Hab’ ich nicht recht? So rede schon, gib Antwort!«
    »Ach ja, das ist wohl wahr! Der Himmel weiß es so wie jedermann«, daß Euer Gnaden Hausstand wohl der knappste weit und breit gewesen – und Euer Gnaden Hand stets mehr als zu. Darauf war stets Verlaß bei Euer Gnaden.«
    »Wie kannst du es dann wagen, diese Hand zu öffnen, noch ehe der Tod sie mir geöffnet hat?« So sprach der sterbende Geizhals und schüttelte die magere Faust nach ihr. »Ich habe Fleischgeruch im Haus gespürt, ich habe Stimmenlärm im Haus gehört –, im Schloß hat sich der Schlüssel umgedreht, wieder und wieder und wieder! Oh, daß ich aufstehn könnte«, fügte er hinzu, dieweil er hilflos sich im Tode wälzte, »aufstehn, um die Vergeudung, den Ruin zu sehen; – doch nein, das würd’ mich töten«, fuhr er fort und ließ das Haupt auf den Kopfkeil zurückfallen, denn ein Kissen hatte er sich nie gegönnt. »Es würd’ mich töten – schon der Gedanke daran bringt mich um.«
    Die Weiber, nachdem sie sich des öftern mit Geblinzel und Geflüster verständigt hatten, drängten sich plötzlich Hals über Kopf aus dem Zimmer, hörten sich aber augenblicks durch die schneidende, unduldsame Stimme des alten Melmoth zurückkommandiert.
    »Wohin so schnell, zu welcher Lustbarkeit? Hinab zur Küche wohl, um dort zu schlemmen und zu prassen? Will denn niemand bei mir bleiben, um zuzuhören, wie man für mich betet? Ihr werdet eines Tages selber darum schrein, ihr alten Vetteln!«
    Zutiefst erschreckt durch solche Vorhaltung, ja Drohung, kehrte die Prozession schweigend zurück und nahm rund um das Lager Aufstellung, während die

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