Melodie der Sehnsucht (German Edition)
Toulouse zu verlegen. Eine Ketzerverbrennung in ihrer kleinen Gemeinde war eine Sensation, die sie sich auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Auch für die nicht betroffenen Handwerker,
Tagelöhner und vor allem Schankwirte im Dorf versprachen die Urteile Verdienstmöglichkeiten – schließlich mussten Scheiterhaufen beschickt und aufgerichtet werden, der Gelegenheitshenker versprach sich einen Rekordverdienst. Außerdem reisten jetzt schon fahrende Händler und Gaukler an – große Hinrichtungen wurden immer zu großen Volksfesten.
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Sabine hatte gehofft, Florimond bei der Verhandlung zu sehen, dabei war schließlich der gesamte Hof anwesend. Die Herzogin und ihr Gatte saßen in der ersten Reihe, und zumindest Catherine war entsetzt, als sie Philippe hereinschleppten. Der Schmied und ein anderer Mann aus der Katharergemeinde trugen ihn mehr als ihn zu stützen, sein Gesicht war verschwollen, er konnte die Augen kaum öffnen. Sein linker Arm lag nutzlos in einer provisorischen, von Sabine gebundenen Schlinge, die Hand steckte in blutigen Verbänden. Der Ritter konnte auch kaum sitzen, er sank auf der Anklagebank immer wieder zusammen, bis Sabine schließlich den Arm um ihn legte und ihn stützte.
Die anderen Angeklagten erwiesen sich allerdings als gefasst und schicksalsergeben. Sie waren durchweg geständig, und Philippes schwaches Stöhnen, als einer der Knechte ihn anstieß, deuteten die Richter ebenfalls als ein ›Ja‹ zu den Anschuldigungen. Sabine lauschte denn auch kaum auf die salbungsvollen Worte der Männer auf dem Podium, sondern ließ die Blicke suchend über die Versammlung der Zuschauer gleiten.
Barbe de Richemonde schaute triumphierend zu ihr auf und verfolgte mit glühenden Blicken, wie Jules de Caresse gelassen seine Aussage machte. Ihre Gedanken konnte man ihr vom Gesicht ablesen: Jetzt endlich nützte es Sabine nichts mehr, dass sie schön und sanft war und es verstand, nicht nur die Herzogin zu betören, sondern auch die Ritter mit ein paar wenigen Blicken für sich einzunehmen. Dabei erregte sie selbst jetzt noch Bewunderung – die junge Frau hatte vor ihrem Auftritt bei Gericht noch einmal alles versucht, sich in Szene zu setzen. Sabine trug das weiße Gewand, in dem sie gefangen genommen worden war, und es wirkte verdächtig sauber, womöglich hatte die Herzogin die Hand im Spiel. Auf jeden Fall sah das Kleid nicht aus, als hätte Sabine zwei Tage darin geschlafen. Ihr Haar glänzte und fiel offen über ihre Schultern, dazu saß Sabine stolz und aufrecht. Wenn sie dem Gericht und dem davor aussagenden Jules überhaupt Blicke gönnte, so waren es verächtliche.
Jules erwiderte sie allerdings nicht, wie Barbe zufrieden feststellte. Das Kapitel ›Sabine‹ war für den Ritter eindeutig abgeschlossen. Seinen neuen Erben würde er mit Barbe de Richemonde zeugen.
Madeleine hatte sich die Augen bereits ausgeweint, sie saß nur noch bleich und zitternd neben der Marquise de Valles, die sie tröstend an sich zog, und schaute zutiefst verschreckt zu dem Mann auf, den sie liebte. Philippe bemerkte sie gar nicht.
Sabine seufzte. Er hatte nie von ihr Notiz genommen.
Ganz hinten im Publikum sah sie Fleurette und Jean Pierre, wobei letzterer die kleine Zofe mit festem Griff hielt, damit sie ja nicht auf die Idee kam, zu ihrer Herrin zu laufen und sich auch noch schuldig zu bekennen. Sabine versuchte, ihr ermutigend zuzulächeln, aber sie schaffte es kaum, den Mund zu verziehen.
Alles wäre leichter gewesen, hätte sie Florimond gesehen. Wenn sie wenigstens Blicke hätten tauschen können, wenn sie noch einmal das Gold in seinen Augen hätte aufleuchten sehen. Aber der Ritter war nicht unter den Anwesenden, so verzweifelt Sabine auch suchte. Sie geriet darüber wieder ins Grübeln. War er ihr böse? Fand er, dass ihr all dies zu Recht geschähe? Schließlich hatte sie seine ausdrücklichen Warnungen missachtet.
Sabine musste alle ihre Kraft zusammennehmen, um nicht zu weinen. Ihre Richter durften nicht glauben, sie hätten sie gebrochen! Und Sabine würde auch nicht noch einmal abschwören. Sie würde ihrer Lehrerin Henriette ins Feuer folgen. Und im letzten Moment würde sie das sein, was sie von klein auf an hatte sein wollen. Eine Parfaite.
Die Urteile boten natürlich keinerlei Überraschung. Die Priester übergaben die überführten Ketzer der Form halber der weltlichen Gerichtsbarkeit. Die Kirche selbst durfte keine Todesurteile vollstrecken. Der Herzog hatte
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