Melodie der Sehnsucht (German Edition)
hätte das Pferd dabei sicher einfach umgerannt, aber der Riese stoppte seine Bewegung, der Hengst erschrak, stolperte und kam zu Fall.
Für Jules kam das völlig überraschend, und er verlor dabei sein Schwert. Aber er rollte geschickt ab und kam genau vor dem Karren wieder auf die Beine, in dem Sabine um den Ausgang des Kampfes fieberte. De Caresse warf einen kurzen Blick auf den Schauplatz des Überfalls. Der Knecht lag bewusstlos am Boden, der erste Ritter war tot, auf den zweiten stach eben einer seiner Angreifer mit dem Messer ein. Und Caresse selbst fand sich praktisch unbewaffnet dem Riesen mit dem Knüppel und Florimond mit seinem Schwert gegenüber. Die Lage war hoffnungslos. Aber Caresse würde nicht aufgeben. Noch gab es eine Chance ... Mit rascher Hand entriegelte er die Tür von Sabines Käfig und riss die junge Frau heraus. Sabine war zu erschrocken, um sich zu wehren und dann erstarrt vor Angst, während Caresse sie wie ein Schutzschild vor sich hielt, ein Messer an ihrem Hals.
»Du wirst sie nicht bekommen!«, schleuderte er Florimond und den anderen Männern entgegen, die jetzt alle näher kamen. »Bleibt weg von mir, sonst schneide ich ihr die Kehle durch!«
»Das hilft Euch aber nicht, ihr wäret gleich der Nächste«, argumentierte der Riese mit Gemütsruhe. »Aber wenn Ihr sie loslasst, dann könnten wir Euch gehen lassen.«
»Bevor ich aufgebe, sterbe ich«, erklärte Caresse. »Aber das sehe ich noch nicht. Oder, Monsieur d’Aragis? Wollt Ihr wirklich zusehen, wie das Blut aus dem Hals Eurer Liebsten strömt?«
»Ich werde auch nicht zulassen, dass Ihr sie nach Paris schleift und hinrichten lasst«, gab Florimond zurück.
De Caresse verzog das Gesicht zu einem bösen Grinsen.
»Nun, dann werden wir hier wohl alle miteinander alt werden. Aber ich denke, ich kann die Sache etwas beschleunigen. Wie wär’s, wenn ich die Kleine ein bisschen anritze?«
Sabine schrie erschrocken auf, als sie die Schwertspitze an ihrem Hals spürte. Florimond schien ihren Peiniger anspringen zu wollen. Aber dann liefen die Ereignisse blitzschnell ab. Petrus le Petit, der Zwerg und Artist, sprang plötzlich in die Luft wie eine Kanonenkugel und landete geschickt auf den Schultern des Riesen. Fast gleichzeitig schleuderte er ein Messer – Sabine erinnerte sich, dieses Kunststück bei ihren Vorführungen schon mehrfach gesehen zu haben, aber jetzt war da keine Zielscheibe. Und auch Jules bot keinen Angriffspunkt. Nicht nur, dass er immer noch seine Rüstung trug – zwar nicht die schwerste, aber doch Brustpanzer und Helm – er verschanzte sich auch immer noch hinter Sabine.
Das Messer zielte und traf denn auch nicht Jules – sondern fuhr über ihn und Sabine hinweg in das Holz des Karrenbodens, unmittelbar neben der rechten Hand Philippes. Der schwer verletzte Ritter sah fast ungläubig auf die Waffe. Er lag nach wie vor hilflos im Karren, aber er hatte den Kampf zweifellos verfolgt, und er befand sich unmittelbar hinter Jules de Caresse – er musste wissen, welche Chance sich ihm bot.
»Philippe!«, rief Florimond – verzweifelt, aber mit klingender Stimme. Er musste den Ritter wachrütteln, einmal noch musste Philippe kämpfen.
Philippe richtete sich auf. Die Schmerzen waren kaum zu ertragen, aber er schaffte es – solange er nur den linken Arm nicht belasten musste. Aber der rechte war zwar mit Blutergüssen übersät, aber zumindest nicht gebrochen oder ausgerenkt. Mit letzter Kraft hob Philippe das Messer und stieß es in die Fuge zwischen Jules’ Helm und seinen Brustpanzer. Er hoffte, das Rückgrat zu treffen, aber die Klinge glitt ab. Dennoch schoss ein Strom Blut aus der Wunde – und der überraschte Ritter warf sich herum, um sich dem neuen Angreifer zu stellen. Sabine stürzte zu Boden, während Jules Philippe sein Messer in die Brust stieß. Gleichzeitig durchbohrte ihn von hinten das Schwert Florimonds. Jules de Caresse brach zusammen.
»Wir haben es geschafft. Wir haben es wirklich geschafft!« Sekundenlang hatte Stille geherrscht, nur unterbrochen vom Keuchen der erschöpften Kämpfer und Rascheln von Sabines Kleidern bei ihren ungelenken Versuchen, auf die Beine zu kommen.
Dann brach Roberts fast ungläubige Stimme das Schweigen. »Wir haben drei Ritter umgebracht. Wir allein! Verdammt, und Florimond kann nicht mal ein Lied drüber schreiben.«
Florimond kam endlich zu Atem und fühlte auch die Starre von sich weichen, die ihn nach dem letzten Schwertstoß erfasst hatte. Er
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