Melodie des Südens
Kirchen und Versammlungshallen füllten und die Abschaffung der Sklavenhaltung forderten. Mit großem Ernst und Leidenschaft argumentierten die Gegner für ein Verbot der Sklaverei und gegen die bösartigen Menschen, die aus dem Unrecht Profit schlugen. Sie waren wirklich sehr überzeugend, wenn man davon absah, dass Mariannes Vater mit Sklaven Gewinn machte, und wenn man davon absah, dass auch ihr eigener Wohlstand auf der Arbeit von Sklaven beruhte wie im Übrigen der Wohlstand aller ihrer Bekannten.
Und selbstverständlich war ihr Vater alles andere als bösartig. Selbstverständlich waren die Freunde ihres Vaters, die zum Teil mehr als zweihundert Sklaven besaßen, alles andere als bösartige Männer. Diese Leute dort im Nordosten, so hörte sie immer wieder, hatten einfach keine Ahnung vom Leben im Süden. Das sagten ihre Freunde, und sie glaubte ihnen. Die Sache mit der Sklaverei war nicht so einfach, die Verhältnisse waren viel komplizierter, als die Gegner glaubten.
Und so war Marianne nach Louisiana zurückgekehrt, ausgestattet mit der eigentümlichen menschlichen Fähigkeit, zwei einander widerstreitende Überzeugungen gleichzeitig zu hegen. Ihr Leben hatte seinen bequemen Rhythmus wieder angenommen. Magnolias war eine glückliche Plantage, da war sie sicher. Ihr Vater behandelte seine Sklaven gut, sie kümmerte sich um alle, gab den Kindern Wurmmittel, behandelte Ohrenschmerzen und braute Arznei gegen das Fieber.
Und so füllte Marianne ihr Tagebuch mit den vielfältigen Bemühungen ihrer Familie, die Plantage auf menschliche Weise zu betreiben. Doch inzwischen, ein paar Jahre später, zu einer Frau von zwanzig Jahren herangereift, spürte sie ihre Zweifel immer drängender. Die lauten Stimmen der Sklaverei-Gegner Julia Ward Howe und Henry Stanton klangen ihr mehr denn je in den Ohren, und auf den Seiten ihres Tagebuchs war die wachsende Unsicherheit zu lesen.
Und jetzt Peter.
Marianne hatte gebadet und sich frische Sachen angezogen, und dann hatte sie eilig und allein zu Abend gegessen. Hannah hatte darauf bestanden, dass sie Ärmelschoner und eine schwere Schürze anzog. Sie überprüfte noch kurz, ob sie die Schlüssel zu ihrem »Reich« in der Tasche hatte, und ging durch den Garten zu ihrem persönlichen Vorratsraum, wo sie Kräuter trocknete, Töpfe mit Salbe aufbewahrte und die Zutaten für ihre Arzneimittel in Regalen aufgereiht hatte. Auch ihr abgenutzter Mörser mit Stößel stand dort bereit.
Sie suchte Weidenrinde und -blätter heraus und zerrieb sie fein genug, um einen Tee herzustellen. Sie wusste, der Junge würde Fieber bekommen, und ein Tee aus Salweide half gut dagegen. Dann schnitt sie Hamamelisblätter klein und zerrieb sie zu einem Pulver, das sie mit Schmalz zu einer Salbe vermischte. Peter würde viel davon brauchen. Sie griff in das Regal über ihrem Kopf, band ein Bündel Schwarzwurz auf und zerkleinerte die Wurzeln und Blätter zu einer klebrigen Masse, die sie für neue Verbände brauchen würde.
Mit all ihren Arzneien ausgerüstet, ging Marianne hinunter zu den Sklavenquartieren. Der Geruch von Zaubernuss und Zinnkraut wies ihr den Weg zur richtigen Hütte.
Pearl saß auf dem einzigen Hocker und vertrieb die Fliegen von Peters Gesicht.
»Ist er aufgewacht?«
»Ja, ein paar Mal, aber er schläft immer wieder ein.«
Marianne legte dem Jungen die Hand auf die Stirn; er war jetzt schon spürbar heiß. »Zu wem gehört er?«
»Er ist der älteste Enkel der alten Lena.«
Marianne nickte, auch wenn sie sich an Lena nicht erinnerte. Sie wusste auch nicht, was mit Peters Mutter passiert war. Eine Schande, dass sie all das nicht wusste, aber es gab einfach so viele Sklaven hier.
»Ich glaube, sie weiß schon, dass Petie erwischt wurde«, sagte Pearl. »Aber der Aufseher lässt sie nicht zu ihm.«
Marianne presste die Lippen aufeinander. Es war einfach grausam, die Frau daran zu hindern, ihren Enkel zu besuchen. Sie würde sich selbst mit Mr McNaught auseinandersetzen müssen, da ihr Vater in Saratoga und ihr Bruder am See war. Aber das musste warten. Später.
Sie reichte Pearl den Topf mit der Weidenrinde. »Sag Evette, sie soll einen Tee daraus machen und ihn schön lange ziehen lassen. Und dann geh ins Haus und bitte Charles, mir Papier und Feder zu bringen.«
Während Marianne auf den alten Charles wartete, der schon als Butler im Haus gearbeitet hatte, als ihr Vater noch jung gewesen war, wickelte sie den blutigen Verband von Peters verstümmeltem Fuß und wusch die
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