Melvin, mein Hund und die russischen Gurken
ziehen. Da erkenne ich das Mädel. Ich zögere – und damit reite ich uns direkt in die Scheiße. »Was glotzt du denn so, Zecke?!«, ruft einer mit russischem Akzent. Und ich weiß, egal was ich jetzt für eine Antwort gebe: Es ist die falsche.
Alles nur wegen Valeria und der Gurken.
Neulich war ich mit meinem Kumpel Patexx auf einer Party und das Vorglühen stieg bei ihr. »Was ist denn das für ’ne Zecke?«, fragte sie Patexx, als sie mich sah. Dabei sah ich gar nicht so punkig aus, abgesehen von meinem Green-Day-T-Shirt. Und schon eine Zecke, zumindest in ihren grünen Katzenaugen.
»Der ist okay«, sagte mein Kumpel. Valeria ließ uns rein und schenkte Wodka in alle verfügbaren Gefäße aus, denn es waren eine Menge Leute da. »Das ist russischer Tequila!«, rief sie und das hieß, dass sich alle eine saure Gurke aus einem riesigen Glas gabeln mussten. »Nastrovje!«, rief sie und ich exte meine Tasse, knallte sie wie die anderen auf den Tisch, der Wodka brannte und ich biss in meine Gurke, die für eine Gurke großartig schmeckte.
»Russische Gurken bringen’s einfach mehr«, erklärte Valeria und hielt das Gurkenglas mit den kyrillischen Buchstaben hoch. Die Musik im Hintergrund war auch irgendwie kyrillisch und wir hockten um den Tisch, der auf Bierkästen stand, genau wie mein Bett zu Hause, und Valeria schlug so ein Spiel vor, bei dem alle der Reihe nach Sachen aufzählen mussten, zum Beispiel Gemüsesorten. Wer zu lange zögerte oder was doppelt sagte, schied aus und musste trinken. Weil ich weniger Wodka intus hatte als die anderen, schlug ich mich ganz gut. Bei den Obstsorten waren nur noch Valeria und ich im Rennen. Aber dann sagte ich »Erdbeere« und verlor. Wusstest du, dass Erdbeeren kein Obst sind, sondern zu den Nüssen gehören? Denk an diese kleinen grünen Kerne. Ich wollte es zuerst auch nicht glauben, aber Valeria hat geschworen, dass es stimmt. Ich musste trinken und sie lachte über mich, aber auf eine Art, dass ich ihr nicht böse sein konnte. Das ganze Vorglühen war ehrlich gesagt besser als die Party danach. Besonders die Gurken. Also, ich hab nichts gegen Russen und erst recht nichts gegen russische Gurken. Zumindest, solange sie nicht in Rudeln vor mir auftauchen und mir eins auf die Fresse geben wollen. Die Typen mein ich, nicht die Gurken.
Wären Valeria und ich uns allein auf der Straße begegnet, hätten wir vielleicht sogar über andere Sachen geredet als über Obst- und Gemüsesorten. Vielleicht hätten wir uns auf ein Glas russische Gurken verabredet. Denn Valeria gefällt mir. Besonders wie ihre Katzenaugen sich zu spöttischen Schlitzen zusammenziehen, wenn sie lacht.
Jetzt lachen ihre Katzenaugen nicht, jetzt ist sie zu beschäftigt damit, so zu tun, als ob sie mich nicht erkennt.
»Was glotzt du denn so, Zecke?«
Diesmal ist mein Kumpel nicht dabei, um ihnen zu sagen, dass ich okay bin. Stattdessen sind Valerias Kumpels dabei, die offensichtlich ein bisschen Unterhaltung suchen.
»Hey, Jurij, ich glaube, der hat gerade deine Freundin angeglotzt!«
Valeria hat also einen Freund. Super Tag.
»Lass den doch«, sagt Valeria, aber da stößt Jurij mich auch schon gegen die Brust: »Hast du meine Freundin angeglotzt, Zecke?« Der Stoß ist nicht besonders fest. Eher so, als fühlte Jurij sich verpflichtet, seinen Jungs was zu bieten. Ich tue ihm den Gefallen und lasse mich zu Boden plumpsen, damit er aufhören kann. »Jetzt verschwinde«, knurrt Jurij zufrieden. Er macht einen auf Gangster, ich mach einen auf Opfer, jetzt können wir heimgehen. Leider kommt uns Iro in die Quere. Sie mag es gar nicht, wenn man mich rumschubst, und schnappt knurrend nach Jurijs Knöchel.
Er flucht und tritt nach ihr. Iro jault auf.
Das ist der Moment, in dem ich ihn hinten im Gaumen schmecke, diesen Kupfergeschmack. Und ich weiß: Gleich bekommt jemand eins in die Fresse.
Und das ist der Moment, in dem Melvin auftaucht. Wenn Melvin auf dieser Welt etwas liebt, ist es Iro, die sozusagen sein Ersatzhund ist, weil er keinen eigenen hat. Er rennt auf uns zu, springt Jurij an und reißt ihn zu Boden. Im nächsten Moment schlägt er ihm mitten ins Gesicht und ich höre zum ersten Mal in meinem Leben das Geräusch eines brechenden Nasenbeins. Falls es dich interessiert: Es klingt, als ob man auf einen trockenen Ast tritt.
Hä?, wirst du jetzt sagen. Melvin ist doch dieser magere kleine Typ. Vermutlich fragst du dich gerade, ob ich dir Scheiße erzählt habe. Habe ich nicht.
Er ist
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