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Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Melvin, mein Hund und die russischen Gurken

Titel: Melvin, mein Hund und die russischen Gurken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Roeder
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Plastiktüte. Ich gucke mir das eine Weile an, kann aber kein System dahinter erkennen. Ich werde so neugierig, dass ich zu ihr aufschließen und fragen muss: »Was machst du da?«
    Das Mädchen sieht mich an, und ich denke schon, vielleicht redet es nicht mit mir, weil ich auch nicht mit ihm geredet habe, aber dann antwortet es: »Ich suche Lochsteine.« Sie lässt mich in ihre Tüte gucken und tatsächlich, da liegen einige Steine mit Löchern drin. Ich frage, wie die Löcher in die Steine gekommen sind, und sie erklärt mir, dass das Meer sie gemacht hat. »Im harten Gestein gibt es manchmal weichere Einschlüsse. Und die können vom Meer ausgespült werden, in ein paar Millionen Jahren.«
    »Du rennst also den Strand lang und sammelst kaputte Steine?«, fasse ich zusammen.
    »Das sind keine kaputten Steine, das sind ganz besondere Steine!«, widerspricht sie.
    »Und du findest, was ich mache, ist merkwürdig?«, frage ich kopfschüttelnd.
    Das Mädchen schaut verblüfft, seine Augen sind blau wie der Sommerhimmel, und dann lacht es los. Ich lache auch, und als wir uns wieder beruhigt haben, sage ich ihr, dass ich Josefine heiße, aber dass mich alle Fine nennen. Das Mädchen sagt: »Hallo, Käfer-Fine, ich bin Lochstein-Sarah.«
    Am Abend im Hotel schminkt sich meine Mutter, bevor wir runter zum Büfett gehen. Sie zieht sich mit Rosa die Lippen nach und macht einen Kussmund, während ich ihr von Lochstein-Sarah erzähle. Aber sie hört gar nicht richtig zu, sondern fragt nur: »Meinst du, Ronny kann sich nachher zu uns setzen? Er kennt hier niemanden, ich glaube, er fühlt sich ein bisschen allein.« Ronny muss der mit den wenigen Haaren sein. Wenn es sie glücklich macht. Als ich gnädig nicke, gibt sie mir einen Lippenstiftkuss. »Du bist mein großer Schatz, das weißt du doch?«
    Wir kommen runter in den Speisesaal, da wartet Ronny schon an unserem Tisch und rückt uns die Stühle zurecht. Dann winkt er den Kellner heran und bestellt Wein: »Ihren besten Rosé für die Dame.« Dabei lächelt er Mama an. Vor ein paar Tagen gab es geräucherten Aal. Mama meinte, er sei eine Delikatesse, aber ich fand ihn eklig. Genauso ist Ronny: wie ein Schleimaal.
    Ich stapele das Essen auf meinen Teller, schmatze und schlürfe die Sprite in meinem Glas mit dem Strohhalm so laut, dass die Leute vom Nachbartisch schon rübergucken. Aber Mama sagt nichts, zumindest nicht zu mir. Sie unterhält sich die ganze Zeit mit Ronny über ihre Ehe. Nur über Papas neue Freundin erzählt sie nichts. Ronny nickt immer wieder wie aufgezogen und sagt zwischendurch Sachen wie: »Ja, wenn man sich auseinandergelebt hat, ist es vielleicht besser … Dann ist man wieder frei für etwas Neues. Obwohl das Ende einer Beziehung selbstverständlich schwer ist …« Er legt ihr mitfühlend die Hand auf den Arm.
    Als ich mit Essen fertig bin, schlägt Mama vor, ich solle schon mal hochgehen. Vielleicht kommt ja was Schönes im Fernsehen. »Ich will noch ein wenig bleiben, hier wird gleich noch Musik gespielt. Tanzabend.«
    Als ich zögere, sagt Mama ungeduldig: »Nun geh schon! Ich komme später nach.« An Ronny gewandt fügt sie lächelnd hinzu: »Sie glaubt immer, sie müsste auf mich aufpassen.«
    Ich schaue sie wortlos an, bis sie den Blick abwendet.
    »Mach dir keine Sorgen, Finchen, ich bin hier gut aufgehoben.« Sie lächelt Ronny an und er verschlingt sie fast mit den Augen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu gehen.
    Oben in unserem Zimmer lege ich mich auf das Doppelbett und schalte den Fernseher an. Aber ich kann mich kaum auf den Film konzentrieren, weil ich die ganze Zeit auf das Geräusch des Schlüssels im Schloss warte. Sie kommt nicht.
    Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn ich werde von einem Klopfen an der Tür geweckt. Es ist nicht Mama, es ist Ronny. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn, sein Blick huscht unruhig hin und her. »Kannst du bitte runterkommen … deine Mutter …« Da weiß ich schon, was los ist.
    In meinem Schlafshirt folge ich ihm in den Saal. Die kleine Band ist dabei, ihre Instrumente einzupacken, alle anderen Gäste sind schon gegangen. Nur Mama ist noch auf der Tanzfläche und dreht sich im Kreis, die Arme vor der Brust verschränkt. Ihr hellrosa Seidenkleid mit den Blumen hat einen Weinfleck, ihr Lippenstift ist verwischt.
    Als sie Ronny sieht, bleibt sie stehen. »Findest du mich schwierig, Ronny? Er sagt, ich bin schwierig. Er sagt, ich trinke zu viel. Ab und zu ein Gläschen, wenn er spät

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