Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
verrenkt. Betäubender Schmerz. Partridge kann nur noch stoßweise atmen.
Mit ein paar raschen Handgriffen schnallt der Techniker ihn an den Tisch. Danach postiert er sich am Fußende, bis Arvin eintritt, in voller OP-Montur, den Mundschutz bereits vorm Gesicht, sodass Partridge nur seine Augen erkennen kann. »Eine Minute noch«, erklärt Weed. »Ich will den Patienten über das Verfahren aufklären und etwaige Fragen beantworten.«
Der Techniker geht.
Nun sind sie allein, aber weiterhin unter Beobachtung der Kameras. Trotzdem braucht Partridge jetzt ein paar beruhigende Worte, selbst wenn sie verschlüsselt sind.
»Warum hast du mich festschnallen lassen?«, fragt er. »Das ist nicht nötig.«
»Wenn die Narkose einsetzt, hätten wir dich ohnehin fixieren müssen.« Arvins Augen huschen zu einer der Kameras in den Zimmerecken.
»Bitte sag mir, dass das alles gut ausgehen wird. Kannst du das, Arvin?«
»Wir betreten hier echtes Neuland, Partridge. Alles wird aufgezeichnet, um es für die Nachwelt zu bewahren.«
»Alles?«
»Selbstverständlich.«
»Kann ich nicht mal einen Moment wirklich allein mit dir reden?«
»Wozu das denn?«
Soll das heißen, dass Weed ihn nicht beruhigen kann – oder dass er es nie vorhatte? »Das weißt du ganz genau, Weed.«
»Wie wäre es, wenn ich dir ein bisschen was über die Wissenschaft der Erinnerung und unser Vorgehen erzähle?«
Die Wissenschaft ist Partridge im Moment herzlich egal. Aber er traut sich nicht, noch etwas zu sagen. Seine Stimme könnte brechen, er könnte zusammenbrechen, hier im OP – und die ganze Nachwelt würde es sehen. Deshalb lässt er Weed reden, während er sich innerlich sammelt.
»Das Kurzzeitgedächtnis ist reine Chemie. Doch alles, was langfristig verankert wird, wird in der Anatomie des Hirns untergebracht. Vereinfacht ausgedrückt, haben wir herausgefunden, wie man bestimmte Neuronen und Neuronenmuster im Hirn an- und abschalten kann. Diese Muster werden bei der Herausbildung von Erinnerungen geschaffen – wenn wir die richtigen Muster abschalten, können wir die Erinnerung deaktivieren. Diesen Forschungsbereich nennt man Optogenetik. Wir haben uns mal darüber unterhalten, als neue Entwicklungen auf dem Gebiet vorgestellt wurden. Weißt du noch?«
»Hmm. Ja, kommt mir bekannt vor.« In Wirklichkeit war Partridge sehr gut darin, Weed auszublenden, wenn ihm dessen Schwärmerei zu viel wurde. Aber das sollte er ihm nicht ausgerechnet jetzt gestehen.
»Mithilfe von Viren, die als Träger spezieller DNA-Formen fungieren, werden die Neuronen zunächst ausgewählt und dann genetisch verändert. Auf mikrobiologischer Ebene, du weißt schon. In deinem Fall machen wir das Neuron anfällig für Licht bestimmter Farben. Dieses Licht deaktiviert das Neuron. Danach gehen wir mit extrem dünnen Glasfasern rein, die wir – sehr vorsichtig – ins Gehirn fädeln, um zu einem entsprechenden Neuronenmuster zu gelangen. Dann müssen wir nur noch die richtigen Lichtsignale durch die Fasern schicken, um das Neuron und den dazugehörigen Schaltkreis zu deaktivieren, und voilà!«
Die wollen ihm Glasfasern ins Gehirn fädeln? Partridge wird schlecht. »Voilà«, sagt er. »Ihr dringt in mein Hirn ein und knipst ein paar Lichter aus.«
»Das wäre die Kurzfassung.«
»Wie nett.« Partridge muss schlucken. »Eine Frage hätte ich noch, Dr. Weed …« Auf der Party hat Arvin ihm erzählt, dass man tiefe Erinnerungen – den Schlick am Meeresgrund – noch eine Zeit lang erreichen kann, nachdem die Verbindungen geschädigt wurden. Erst nach einer Weile werden sie endgültig abgeriegelt. Wann genau? »Wie viel Zeit bleibt mir, um in die Tiefe zu tauchen?«
»Tauchen? Was redest du da?« Arvin zieht eine Kanüle hervor. »Ich leg dir jetzt die Infusion, Partridge. Entspann dich einfach.«
»Wie viel Zeit, Weed?« Partridge wendet den Kopf ab. Er will nicht mit ansehen, wie die Nadel in der weichen Haut seiner Ellenbogenbeuge versinkt. Arvin fixiert die Kanüle mit einem Stück Klebeband.
»Ganz ruhig, Partridge.«
Partridge betrachtet die Injektionsnadel in seinem Arm. Rund um das Klebeband schwillt die gerötete, gequetschte Haut an. Arvin tippt auf den Schlauch, der die Nadel mit einem Beutel durchsichtiger Flüssigkeit an einem Eisenständer verbindet. Bald wird es um ihn herum dunkel werden. Bald wird Partridge bewusstlos sein. Schluss, aus, vorbei. »Wie viel Zeit, um auf den Meeresgrund zu tauchen?«
»Ha!«, ruft Arvin allen
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