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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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potenziellen Zuhörern zu. »Er halluziniert schon! Gleich ist er weg vom Fenster.«
    »Wie viel Zeit?«, fragt Partridge noch einmal. »Sag’s mir!«
    Arvins maskiertes Gesicht verschwimmt. Er trommelt auf der Kappe auf Partridges kleinem Finger herum. »Was denkst du, wie lange dauert es noch, bis der Rest nachgewachsen ist? Etwa eine Woche vielleicht? Unglaublich. Dann ist er einfach wieder da – ein vollständiger Finger.« Weed singt die Worte fast schon. »Ein vollständiger Finger. Ein vollständiger Finger.«
    Ein vollständiger Finger, ein vollständiger Finger, denkt Partridge. Will Weed ihm damit sagen, dass ihm nur eine Woche bleibt, um seine Erinnerungen ans Licht zu holen? Etwa eine Woche? Bis dahin müsste er die Liste mit den sieben einfachen Wahrheiten gefunden haben. Aber selbst wenn er die Liste ernst nimmt, wird er nicht wissen, dass er nur sieben Tage hat, um sich an das Verlorene zu erinnern. Über ihm wanken und flackern die Lichter. Der Raum schwankt und kippt. Partridge sieht Arvins Gesicht so unscharf, dass er sich nicht sicher sein kann, ob es wirklich Arvin ist. Weitere maskierte Menschen treten ein und streifen um den Untersuchungstisch.
    Partridge darf nicht einschlafen. Die wollen ihm Fasern ins Hirn fädeln. Er wölbt den Rücken, kämpft gegen die Gurte, schreit nach Weed, aber bleibt sein Mund dabei nicht völlig stumm? Er weiß es nicht. Die maskierten Menschen arbeiten stoisch, methodisch weiter.
    Er bäumt sich auf und schlägt um sich. Plötzlich taucht der alte Mann mit dem Metalldetektor vor ihm auf. Wird Partridge auch ihn bald vergessen haben? Wie hat er ihn noch mal genannt? Einen dummen alten Möchtegernmann. Aber was, wenn der alte Mann echt ist, wenn er jeden Tag am Strand entlangwandert und Partridge für einen künstlichen Menschen hält? Würde das irgendetwas ändern?
    Partridges Körper erschlafft. Als er die Augen schließt, hört er ein Piepen. Vielleicht das Piepen des Metalldetektors? Wieder sieht er den alten Mann am Strand vor sich, wie er zum Fenster hinaufblickt. Doch als der Mann lächelnd die Kappe zieht, begreift Partridge, dass es gar kein alter Mann ist. Sondern ein junger Mann – Partridge selbst, der fröhlich einem künstlichen Fremden zuwinkt. Partridge, der auf einem echten Strand steht, unter dessen Sand echte Dinge vergraben sind, und hinter ihm erstreckt sich das endlose Meer.

PRESSIA
Luftschiff
    Um die Schuttberge zu umgehen, schlagen sie sich von Norden her nach Washington durch, am Wasser des Rock Creek entlang. Beunruhigend oft hören sie leise Klagelaute und scharfe Schreie, die häufig fast menschlich klingen. Vögel kreisen über ihnen oder landen schwerfällig auf Ästen. Manche glitzern wie Öl. Einige haben Reptilienköpfe, ein anderer ähnelt einer Fledermaus, einer riesigen Fledermaus mit gelenkigem Hals, die die Luft mit hackenden Kiefern zerbeißt. Auf ihren Flügeln sprießen helle, flauschige Fellbüschel, die den Wind zerfurchen. Sie krächzt wie eine Krähe.
    Gut drei Kilometer weiter entdeckt Pressia einen angeschlagenen Turm. Die obere Hälfte ist eingestürzt und zerbrochen. Haufen aus Ziegeln und Stein, ein paar intakte Torbögen. »Wo sind wir hier?«
    Fignan sagt die Koordinaten auf: »Achtunddreißig Grad, fünfundfünfzig Minuten, fünfzig Sekunden Nord. Siebenundsiebzig Grad, vier Minuten, fünfzehn Sekunden West.«
    »Spar dir die Koordinaten«, erwidert El Capitán. »Was war das für ein Gebäude?«
    »Die Washington National Cathedral.« Fignan lässt ein Bild aufblitzen: ein imposantes Bauwerk aus zahllosen Bögen, Turmspitzen, Pfeilern und Streben.
    »Eine Kirche«, sagt Pressia.
    »Eine enorm große Kirche«, ergänzt Bradwell. Pressia weiß, dass ihn Kirchen magisch anziehen. Ohne die Krypta der Heiligen Wi hätte er vielleicht nicht überlebt. »Sie war riesig. Die Leute müssen von überall hierhergekommen sein. Wir sollten sie uns kurz ansehen.«
    El Capitán starrt ihn an. »Wozu das?«
    »Weil die Kathedrale erhöht liegt. Wir müssen uns einen Überblick verschaffen, um den besten Weg in die Stadt zu finden.«
    Also klettern sie auf den gigantischen Trümmerberg.
    »Deine Eltern haben nicht an Gott geglaubt, oder?«, fragt Pressia. Sie erinnert sich, dass Bradwells Eltern sich geweigert haben, in die Kirche zu gehen und ihre Karte durchziehen zu lassen. Aber was war mit Gott?
    »Sie haben an die Tatsachen geglaubt. An die Wahrheit. So gesehen waren sie auch gläubig.«
    »Und woran glaubst du?«

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