Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)
flüstert er. »Bereit zur Landung. Bereit zur Landung.« Seine Wange glänzt rot und feucht. Das Blut seines Bruders.
»Mein Gott«, sagt Bradwell. »Was sollen wir machen?«
»Die Verletzung mit Eis kühlen, um Schwellungen zu vermindern«, sagt Fignan, der neben ihnen sitzt. »Druck ausüben, um die Blutung zu stoppen.«
Pressia kniet sich neben El Capitán, zerrt den Ärmel ihres Pullovers über den Handballen und presst ihn auf die Wunde. »Geh eine Decke holen!«
Schnell klettert Bradwell zurück in die Kabine.
»War er sofort bewusstlos?«, fragt sie Helmud.
Helmud sieht sie mit großen, nervösen Augen an. »Bereit zur Landung.«
»Keine Angst, Helmud. Keine Angst.«
Bradwell taucht wieder auf, eine Decke in der Hand. Pressia faltet sie ein paar Mal und drückt sie auf die Wunde. Es ist eine marineblaue Decke, die das Blut schnell aufnimmt. Bald ist sie einen Farbton dunkler.
»Schau dir seine Augen an«, sagt Pressia.
Bradwell bückt sich zu El Capitán und zieht eines seiner Lider nach oben. »Worauf soll ich achten? Ob seine Pupillen geweitet sind?«
»Ja. Hoffentlich weiten sie sich synchron.«
Bradwell zieht beide Lider nach oben und bewegt den Oberkörper hin und her, um Fignans Licht teilweise abzuschirmen. »Leider nicht.«
»Er hat eine Gehirnerschütterung. Wir können ihn nicht zurücklassen.«
»Aber wir können die Mission nicht aufgeben. Der Sonnenaufgang wartet nicht auf uns.«
»Bereit zur Landung«, sagt Helmud.
El Capitáns Lider zittern.
»Cap?«, fragt Pressia. »Bist du da?« Sie streicht ihm mit der Puppenkopfhand über die Wange.
El Capitán blinzelt. Sieht sie an. Kneift die Augen zusammen. Sein Blick treibt ab, driftet zurück zu ihrem Gesicht, bleibt an ihren Augen hängen. Er versucht, etwas zu sagen, und bringt nur ein Krächzen heraus.
Pressia beugt sich über ihn. »Ja, Cap?«
Da hebt er die Hände und legt sie vorsichtig an ihre Wangen. »Pressia«, flüstert er – und küsst sie. Ein flüchtiger Kuss auf die Lippen, ganz sanft und zart.
Pressia ist fassungslos. Sie weiß nicht, was sie sagen soll. Ihre Atmung setzt aus, ihre Augen weiten sich. Sie erinnert sich an El Capitáns Gesang auf den Gleisen, an das Liebeslied, an die leidenschaftliche Diskussion über Romantik, die sie später auf dem Damm geführt haben.
Ihre Hand drückt immer noch die Decke auf El Capitáns Risswunde. »Cap«, murmelt sie und schüttelt den Kopf. »Du hast mich …« Geküsst. El Capitán hat sie geküsst. Bestimmt war es ein Irrtum.
»Ich liebe dich, Pressia Belze«, sagt El Capitán.
Das war kein Irrtum.
Seine Augen gleiten von ihrem Gesicht ab, seine Lider schließen sich. Er wird wieder ohnmächtig. Einfach so.
Helmud sieht sie an. »Pressia?«, fragt er, wie um sich zu erkundigen, ob sie die Liebe seines Bruders erwidert.
Ihr ist zum Heulen. Das Liebeslied, das El Capitán gesungen hat – hat er dabei an sie gedacht? Pressia ist noch immer sprachlos. Wie lange empfindet er schon so, wie lange trägt er dieses Geheimnis schon mit sich herum? Jetzt weiß sie, warum er sie so angesehen hat, als sie sich auf dem Damm an Bradwell geklammert hat.
Bradwell steht auf, geht zur Cockpittür und sagt: »Das wusste ich nicht.«
»Was meinst du?« Panik brandet in ihr auf. Redet er von ihr und El Capitán? Denkt er, da wäre irgendetwas gelaufen? »Es gibt nichts zu wissen.«
Bradwell donnert die Faust auf irgendetwas, das hörbar nachgibt. Einige Sekunden lang bebt das Luftschiff. Ist er eifersüchtig? Oder macht es ihn bloß wütend, dass er etwas nicht wusste – obwohl es gar nichts zu wissen gab?
»Wir denken nicht mehr klar!«, ruft Pressia. »Keiner von uns! Er hat es nicht so gemeint. Er …«
»Er hat es so gemeint. Ich muss es wissen. Ich wollte dir das schon so lange sagen. Dieselben Worte. Und jetzt kommt er mir einfach zuvor!?«
»Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen!«, erwidert Pressia, ehe sie endlich verarbeitet, was Bradwell da gesagt hat. »Du wolltest mir … dasselbe sagen?«
Er erstarrt. Und atmet tief ein, immer noch mit dem Rücken zu ihr. »Ja.«
»Ja«, sagt Helmud, als hätte er es schon immer gewusst.
Pressia sieht Helmud an. Es ist lange her, dass sie ihn richtig angesehen hat, und fast fragt sie ihn, ob er auch von El Capitáns Geheimnis wusste. Helmud bekommt viel mehr mit, als er durchblicken lässt. Nun kaut er mit seinen schmalen Zähnen auf der Unterlippe, als wäre er nervös.
»Und jetzt?«, fragt sie Bradwell. »Einer
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