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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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würden sich hinter den Sitzreihen Geister tummeln.
    »Das ist dann wohl unser neues Zuhause«, sagt Lyda. »Aber für wie lange?«
    Mutter Hestra versucht gerade, die Lichterkette zu reparieren, die die Mütter aufgespannt und mit einer kleinen Batterie verbunden haben. Die Glühbirnchen flackern. »Kann ich nicht sagen. Einige Tage, einige Wochen. Bis es hier nicht mehr sicher ist.«
    Partridge und Lyda gehen aneinander vorbei, so dicht, dass sich ihre Ellenbogen streifen. Hat Mutter Hestra die Berührung bemerkt? Nein, zum Glück nicht.
    »Und was essen wir?«, fragt Lyda.
    »Ich habe Proviant für ein paar Tage eingepackt. Danach werden uns weitere Vorräte gebracht.«
    Lyda traut sich kaum, mit Partridge zu sprechen. Er will also, dass sie gemeinsam ins Kapitol zurückkehren, er will einen Plan schmieden. Es zieht ihn zurück in die Vergangenheit – ja, so denkt sie über das Kapitol. Für sie ist es eine andere, vergangene Welt, die sie hinter sich gelassen hat. Wie soll sie dorthin zurückkehren? Doch sie will bei Partridge sein. Sie stellt sich direkt neben ihn und hebt die Laterne an, um eine Werbung für ein sonniges Putzmittelsortiment zu beleuchten: SO POLIEREN SIE IHR ZUHAUSE RICHTIG AUF! Neben einer Anzeige für Zitronenlimonade mit lächelnden Kohlensäurebläschen ist eine junge Frau zu sehen, die traurig aus dem Fenster starrt. BRAUCHST DU HILFE?, heißt es dort, und darunter steht eine Telefonnummer. »Was denkst du?«, fragt Lyda. »Irgendwas bedrückt sie. Will sie sich umbringen?«
    »Vielleicht ist sie schwanger, aber nicht verheiratet?«, flüstert Partridge. Sofort wird Lyda rot. Man kann doch gar nicht schwanger werden, wenn man nicht verheiratet ist! Oder doch? »Aber den Leuten am anderen Ende der Leitung ist das vielleicht egal«, fährt er fort. »Weil sie auf alles dieselbe Antwort geben.«
    »Die Anstalten«, haucht Lyda. »Was denkst du über Illia? Diese Geschichten, die sie mir erzählt hat, über den Mann und die Frau und den Samen der Wahrheit … es klingt alles so ausgedacht, aber es ist nicht ausgedacht. Ich bin mir sicher, dass es …« Mitten im Satz verstummt sie – Partridges Augen wandern über ihr Gesicht. »Was ist?«, fragt sie.
    »Mein Gott, wie lang werden wir hier denn festsitzen? Ich halte das nicht aus – nicht wenn du auch hier bist.«
    Seine Worte tun weh. »Was soll das heißen?«
    »Dass ich dir so nah bin«, flüstert er, »und dich nicht küssen darf …«
    Als Lydas Magen einen Salto hinlegt, verbirgt sie das Gesicht hinter den Händen. »Mir geht es genauso.« Ihr ganzes Leben lang haben sie unter Beobachtung gestanden, wurden in Reihen aufgestellt und wie Schafe gezählt, mussten gruppenweise lesen lernen und immer im selben Moment umblättern – sowohl im Davor als auch im Kapitol. Deshalb scheint es ihr umso grausamer, dass sie nicht mal hier, wo alles wild und unerforscht ist, selbst wild sein dürfen. Stattdessen werden sie erneut überwacht.
    Als sie die Hand aufs Plexiglas legt, macht Partridge es ihr nach. Ihr kleiner Finger berührt den Stummel seines amputierten Fingers – der Beweis, wie verwildert die Mütter sind. Dass er den kleinen Finger opfern musste, tut Lyda leid, aber sie liebt die barbarische Seite der Mütter. Sie liebt das Gewicht des Speers in ihrer Hand, sie liebt es, ihn mit ihrer ganzen Kraft zu schleudern, sie liebt den saftigen Einschlag, wenn er das Ziel trifft. Nach ihrer Kindheit, in der Zorn, Angst und alle anderen Gefühle gedämpft, erstickt und verleugnet wurden und Liebe peinlich war, findet sie diese Barbarei einfach nur ehrlich.
    »Einen Meter Abstand zwischen euch beiden, bitte«, befiehlt Mutter Hestra. »Einen Meter!«
    Partridge hebt die Hände, wie um zu sagen: Ich fass sie nicht an! Versprochen! Lyda und er weichen jeweils einen Schritt zurück.
    Wenn Lyda mit Partridge allein wäre, hat Mutter Hestra ihr erklärt, würde er nur »unerwünschte Annäherungsversuche« unternehmen und ihr am Ende sogar »Schaden zufügen«. Und Lyda kann ihr nicht mal sagen, wie sehr sie sich irrt. Sie hatte Partridge schon immer lieber als er sie. Wie gern wäre sie jetzt mit ihm allein, wie gern würde sie seine Lippen küssen und mit den Fingern über seine Haut streichen. Oder spüren, wie er mit den Fingern über ihre Haut streicht. Sie weiß, was Ehepaare tun, wenn sie allein sind – sie hat zumindest Gerüchte gehört. Den Akademie-Mädchen wird vieles vorenthalten. Ein glückliches Herz ist ein gesundes Herz

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