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Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition)

Titel: Memento - Die Feuerblume: Band 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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 – das stellt man sich im Kapitol unter Gesundheitserziehung vor, und damit war das Thema Körper abgehakt.
    »Am besten machen wir mit den Karten weiter«, schlägt Partridge vor. »Sie müssen fertig sein, bevor …«
    Wovor?
    »Mutter Hestra?«, ruft er. »Kann Lyda mir mit den Karten helfen?«
    Mutter Hestra, die Syden gerade ein kleines Bröckchen Essen in den offenen Mund schiebt, überlegt eine Weile – und nickt.
    Partridge zieht die Karten aus dem Rucksack und breitet sie auf einem gekehrten Fleck Boden aus. »Vielleicht solltest du eine eigene Karte anfangen?« Er geht zu der Werbung mit dem aufpolierten Zuhause und fummelt hinter der rissigen Plexiglasscheibe herum, bis er eine Ecke des Posters zu fassen bekommt, zieht es heraus und reicht es ihr. Die Rückseite ist weiß.
    Lyda sieht ihn an. Wir brauchen einen Plan, wie wir ins Kapitol zurückkehren können.
    Das hat er zu ihr gesagt. Wir. Sie und er zusammen. Hat sie nicht darauf gewartet, diese Worte zu hören? Sie wurde dazu erzogen, eine Ehefrau zu sein, ein Wir , und wie soll sie jemals einen Besseren finden als Partridge? Aber als sie ihn ansieht, wird ihr klar, dass es kein Wir gibt. Jeder, auch er und sie, ist ein Individuum. Seltsam, dass sie es ausgerechnet hier begreift, unter den Müttern, den Verschmolzenen. Doch es ist die Wahrheit: Jeder ist allein, das ganze Leben lang, und vielleicht sollte es gar nicht anders sein.
    Auf einmal fühlt sie sich wie betäubt, als hätte sich die Kälte in ihren Brustkorb gegraben. Ihre Hand krallt sich um das Poster. Sie blickt sich im U-Bahn-Waggon um. Ein Raum wie ein riesiger Brustkorb. Mutter Hestra, Partridge und sie sind je eine Kammer des klopfenden Herzens. Lyda spürt, dass sie hier drinnen sterben könnte, gefangen im Herzschlag. Deshalb sind manche Fenster spinnennetzartig gesplittert – die Leute haben mit den Fäusten dagegen gehämmert. Sie wollten raus.
    Aber es gab keinen Ausweg.

PRESSIA
Schneemann
    Bradwell fährt. Er sitzt weit vorgebeugt am Steuer, um die Vögel, die unter seinem Hemd rascheln, nicht zu zerdrücken. Pressias Augen ruhen auf seinen roten, zerkratzten Händen am Lenkrad. Schöne Hände. Er drückt auf den Knöpfen der Heizung herum, doch die Heizung reagiert nicht. Ärgerlich schaltet er die Scheibenwischer ein, um die Asche und die paar Schneeflocken zu vertreiben. Nur ein Scheibenwischer funktioniert; er wedelt über die Windschutzscheibe wie ein lädierter Hundeschwanz. Fignan, der auf dem Sitz zwischen ihnen hockt, hebt einen spindeldürren Arm und bewegt ihn im selben Rhythmus, als wollte er zurückwinken. Pressia sieht nach Freedle. Er kauert sicher in ihrer Tasche.
    Sie reibt sich die Puppenkopffaust und betrachtet Bradwell – die gezackte, längliche Doppelnarbe auf seiner Wange. »Woher hast du die Narbe eigentlich?«
    Bradwell nimmt eine Hand vom Steuer und legt die Finger auf die Narbe. »Mehrlinge. Haben mich überrumpelt und hätten mich fast umgebracht. Aber dein Großvater hat ganze Arbeit geleistet, was?«
    »Ich hab mir immer gewünscht, dass er mich reparieren könnte.«
    »Dich reparieren?« Seine Augen zucken zum Puppenkopf. »Ach so.«
    »Was ist mit den Vögeln?«, fragt sie. »Hast du dir mal gewünscht, man könnte sie entfernen? Einfach so, wie durch Magie?«
    »Nein.«
    »Wirklich nicht? Kein einziges Mal? Du wolltest sie nie loswerden? Um endlich frei zu sein?«
    Bradwell schüttelt den Kopf. »Die Leute, die überall auf der Erde urplötzlich gestorben sind, und die, die ganz langsam ihren Verbrennungen, Krankheiten und Vergiftungen erlegen sind … die sind frei. Die sind alles los. Die Vögel bedeuten, dass ich überlebt habe. Und dagegen habe ich nichts einzuwenden.«
    »Das glaube ich dir nicht.«
    »Musst du auch nicht.«
    »Aber vielleicht ist es bei dir was anderes, weil du sie nicht sehen kannst.« Pressia denkt einen Moment nach. »Hast du die Vögel schon mal gesehen?«
    »Ich vermeide es, mich vor deckenhohen Spiegeln umzuziehen.«
    »Weißt du überhaupt, was für Vögel es sind?«
    Er schüttelt den Kopf. »Irgendwelche Wasservögel. Seeschwalben, glaube ich. Bin mir aber nicht sicher.«
    Aus unerfindlichen Gründen fühlt Pressia sich dadurch besser. Es tröstet sie, dass auch Bradwell ganz grundsätzliche Dinge über sich nicht weiß. Sie sind einander fremd, aber sie sind auch sich selbst fremd. »Das gefällt mir.«
    »Was?«, fragt er.
    »Dass es was gibt, das du nicht weißt. Das steht dir gut.«
    »Hältst du mich

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