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Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Memento - Die Überlebenden (German Edition)

Titel: Memento - Die Überlebenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julianna Baggott
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seufzt. Spricht noch irgendjemand so mit ihm? Wahrscheinlich nicht. »Lernst du irgendetwas Wichtiges?«, fragt er.
    »Wir waren nicht die Ersten, die Kuppelbauten erfunden haben, wusstest du das? Es gab sie schon in prähistorischer Zeit – Newgrange, Knowth, Maeshowe und so weiter.«
    Sein Vater lehnt sich zurück. Das Leder seines Sessels knarrt. »Ich erinnere mich noch, als ich zum ersten Mal ein Bild von Maeshowe gesehen habe«, sagt er. »Ich war ein Junge von vierzehn oder fünfzehn Jahren. Das Bild war in einem Buch über prähistorische Stätten.« Er unterbricht sich und hebt eine Hand, um sich die Schläfe in kleinen Kreisen zu massieren. »Vermutlich war es ihre Art und Weise, für immer zu leben. Etwas zu erschaffen, das die Zeitalter überdauert. Ein Vermächtnis. Es ist mir im Gedächtnis geblieben.«
    »Ich dachte immer, Kinder zu haben wäre das Vermächtnis eines Mannes.«
    Sein Vater sieht ihn mit scharfem Blick an, als wäre er urplötzlich in seinem Büro aufgetaucht. »Ja. Ja, du hast recht. Und das ist einer der Gründe, aus denen ich dich habe rufen lassen. Es gibt eine gewisse Resistenz gegen bestimmte Aspekte deiner Codierung.«
    Die Mumienformen. Irgendetwas stimmt nicht. »Welche Aspekte meiner Codierung?«, will er wissen.
    »Sedges Verstand und sein Körper haben ohne Probleme auf die Codierung angesprochen«, sagt sein Vater. »Du bist ihm genetisch so nah verwandt, und trotzdem …«
    »Welche Aspekte?«, wiederholte Partridge.
    »Die Verhaltenscodierung, eigenartigerweise. Kraft, Geschwindigkeit, Agilität, sämtliche physiologischen Aspekte laufen glatt. Spürst du Auswirkungen? Mental und oder physisch? Probleme mit dem Gleichgewicht? Ungewöhnliche Gedanken oder Erinnerungen?«
    Die Erinnerungen, ja, er denkt häufiger an seine Mutter, doch das will er seinem Vater nicht sagen. »Mir war kalt«, sagt er. »Richtig kalt. Ungefähr um die Zeit, als ich erfuhr, dass du mich herbestellt hattest. Ich habe am ganzen Körper gefroren.«
    »Interessant«, sagt sein Vater, und für den Bruchteil einer Sekunde ist er vielleicht tatsächlich verletzt von Partridges Bemerkung.
    Partridge deutet auf eine der gerahmten Blaupausen an der Wand. »Sind die echt?«, fragt er. »Sie sind jedenfalls neu.«
    »Zwanzig Dienstjahre«, antwortet sein Vater. »Ein Geschenk.«
    »Sehr hübsch«, sagt Partridge. »Ich mag deine architektonischen Arbeiten.«
    »Sie haben uns gerettet.«
    »Uns?«, murmelt Partridge fast unhörbar. Er und sein Vater sind die Einzigen, die übrig geblieben sind – eine Familie, zusammengeschrumpft auf zwei kampfbereite Streithähne.
    Und dann, als wäre dies der natürliche Punkt für einen Themawechsel, stellt sein Vater Fragen über Partridges Mutter. Fragen über die Zeit, bevor die Bomben fielen, die Wochen vor ihrem Tod, insbesondere die Reise ans Meer und an den Strand, die sie mit Partridge allein unternommen hatte, nur sie beide. »Deine Mutter hat dir Tabletten gegeben?«, will sein Vater wissen.
    Höchstwahrscheinlich sind Leute auf der anderen Seite des großen, an der Wand montierten Computerbildschirms. Die Mattscheibe erinnert jedenfalls an einen Beobachtungsspiegel. Oder vielleicht ist auch niemand dort. Vielleicht hat sein Vater sie fortgeschickt. Trotzdem wird ihr Gespräch aufgezeichnet. Das muss so sein. In jeder Ecke des Büros ist eine kleine Kamera montiert.
    »Ich weiß es nicht mehr. Ich war noch klein.« Doch Partridge erinnert sich. Sie gab ihm blaue Pillen. Sie sollten gegen die Grippe helfen, doch sie schienen sie schlimmer zu machen. Das Fieber ließ ihn unter den Decken frieren.
    »Sie ist mit dir ans Meer gefahren, daran erinnerst du dich, richtig? Kurz vorher. Dein Bruder wollte nicht mit. Er hatte ein Spiel. Sie waren mitten in der Meisterschaft.«
    »Sedge war ganz verrückt nach Baseball. Er war verrückt nach vielen Sachen.«
    »Es geht hier nicht um deinen Bruder.« Sein Vater bringt den Namen kaum je über die Lippen. Seit Sedges Tod hat Partridge mitgezählt, wie oft er seinen Vater den Namen hat sagen hören. Eine Handvoll, mehr nicht. Seine Mutter starb bei dem Versuch, am Tag der Explosionen Überlebende zum Kapitol zu bringen, und sein Vater nannte sie damals eine Heilige, eine Märtyrerin – bevor er nach und nach ganz aufhörte, über sie zu reden. Partridge erinnert sich, wie sein Vater sagte: »Sie hatten sie nicht verdient. Sie haben sie mit sich in den Untergang gerissen.« Es gab eine Zeit, da redete er von den

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