Memento - Die Überlebenden (German Edition)
ihre Marken. Sie tragen Partridge ein, scannen seine Netzhaut und gehen durch die Detektoren in das eigentliche Zentrum. Sie marschieren durch Gänge und Korridore, bis sie vor der Tür seines Vaters stehen. Sie wird von innen geöffnet, bevor der Wachmann anklopfen kann.
Eine Technikerin steht vor ihnen. Partridge sieht hinter ihr seinen Vater, der einem halben Dutzend weiterer Techniker einen Vortrag hält. Sie alle starren auf eine Reihe von Bildschirmen an der Wand, auf der DNS-Ketten und Nahaufnahmen einer Doppelhelix zu sehen sind.
Die Technikerin dankt den Wärtern und führt Partridge zu einem kleinen Ledersessel neben dem riesigen Schreibtisch seines Vaters auf der anderen Seite des Raums, gegenüber der Ecke, in der sein Vater und die Techniker arbeiten.
»Da ist es«, sagt sein Vater. »Die Markierung in der Verhaltenscodierung. Widerstand.« Die Techniker sind nervös und haben die Augen niedergeschlagen aus Angst vor Partridges Vater, der Partridge immer noch ignoriert. Das ist nichts Neues – Partridge ist es gewohnt, von seinem Vater ignoriert zu werden.
Er blickt sich im Büro um und bemerkt einen Satz originaler Konstruktionszeichnungen des Kuppelbaus, die eingerahmt über dem Schreibtisch seines Vaters an der Wand hängen.
Warum bin ich hier?, fragt er sich zum wiederholten Mal. Gibt sein Vater an, will er Partridge irgendwas beweisen? Es ist nicht so, als wüsste Partridge nicht, dass sein Vater klug ist, dass er Respekt verlangt, sogar Furcht.
»All seine anderen Codierungen sind glatt verlaufen«, sagt sein Vater zu den Technikern. »Warum nicht die Verhaltenscodierung? Irgendjemand? Antworten?«
Partridge trommelt mit den Fingern auf die Armlehne des Sessels, während er die Strähnen grauer Haare seines Vaters betrachtet. Sein Vater sieht ärgerlich aus. Genaugenommen scheint er vor Wut zu zittern. Partridge hat diese aufsteigende Wut immer wieder bei ihm bemerkt, seit dem Begräbnis seines Bruders. Sedge starb, nachdem seine Codierung abgeschlossen war. Er hatte es bis zu den Spezialkräften geschafft, der neuen Elitetruppe, die aus lediglich sechs der jüngsten Akademieabsolventen besteht. »Eine Tragödie« nennt es sein Vater – als würde es allein dadurch ein wenig erträglicher, dass man der Sache einen Namen gibt.
Die Techniker sehen einander an. »Nein, Sir. Noch nicht«, sagen sie.
Partridges Vater starrt auf den Bildschirm, die Stirn in Falten, die fleischige Nase gerötet, dann blickt er zu Partridge. Er entlässt die Techniker mit einer Handbewegung, sie verlassen hastig das Büro und huschen aus der Tür. Partridge fragt sich, ob sie jedes Mal von Erleichterung übermannt werden, wenn sie gehen dürfen. Ob sie den alten Mann insgeheim hassen. Er könnte es ihnen nicht verdenken.
»Und?«, beginnt Partridge und spielt mit einem Riemen seines Rucksacks. »Wie geht’s so?«
»Du fragst dich sicherlich, warum ich dich habe rufen lassen.«
Partridge zuckt die Schultern. »Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag?« Sein siebzehnter Geburtstag liegt fast zehn Monate zurück.
»Dein Geburtstag?«, fragt sein Vater. »Hast du das Geschenk nicht bekommen, das ich dir geschickt habe?«
»Was war es noch mal?«, fragt Partridge, indem er sich gegen das Kinn tippt. Er erinnert sich. Ein äußerst kostspieliger Stift mit einer Leuchtdiode am Ende. Damit du auch nachts lernen kannst , hat sein Vater ihm auf die kleine beiliegende Karte geschrieben, und dir einen Vorteil gegenüber deinen Klassenkameraden verschaffen . Erinnert sein Vater sich überhaupt noch an das Geschenk? Wahrscheinlich nicht. Hat er die Karte überhaupt selbst geschrieben? Partridge kennt die Handschrift seines Vaters nicht. Als er ein kleiner Junge war, schrieb seine Mutter Rätsel, die ihnen helfen sollten, die Geschenke zu finden, die sie versteckt hatte. Sie hatte ihm mal erzählt, es wäre eine Tradition, die sein Vater bei ihren allerersten Verabredungen eingeführt hätte. Kleine gereimte Rätsel und Geschenke. Partridge erinnert sich daran, weil ihm entsetzt klar geworden war, dass sie sich irgendwann einmal geliebt haben mussten, auch wenn das nicht mehr so war. Soweit er weiß, war sein Vater nicht einmal zu den Geburtstagen da.
»Ich habe dich nicht wegen deinem Geburtstag herkommen lassen«, klärt ihn sein Vater auf.
»Dann würde ich raten, als Nächstes kommt väterliches Interesse an meiner schulischen Ausbildung. Du willst wissen, ob ich irgendetwas Wichtiges lerne?«
Sein Vater
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