Memo von Meena (German Edition)
eigentliches Vorhaben in Vergessenheit.
Meena
Anja hat ein Blind Date für mich organisiert. Eigentlich war ich ja wütend auf sie, weil sie mich neulich versetzt hat, anstatt mir zu erzählen, dass sie lieber eine Verabredung mit einem Kerl wahrnimmt, als sich mit mir zu treffen.
Inzwischen habe ich ihr aber verziehen, da das wesentlich einfacher und vor allem stressfreier ist, als sich tagelang ihre Entschuldigungen und Beteuerungen, dass sie mich als Freundin nicht verlieren möchte, anzuhören.
Ich habe absolut keinen Bock auf dieses Date, zumal er jemand ist, den Anja selbst nur flüchtig kennt. Der Bruder eines Arbeitskollegen. Toll. Das sind ja mal so richtig umfangreiche Informationen. Ich erwische mich schon jetzt dabei, mir Gedanken darüber zu machen, ob sich der Verlauf des Dates bzw. das Thema Blind Date im Allgemeinen für eine Kolumne eignet. So weit ist es also inzwischen mit mir gekommen, dass ich alle Hoffnungen darauf, doch noch einen interessanten Mann kennenzulernen, nahezu aufgegeben habe und meine spärlichen Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht stattdessen für meine Kolumne nutze. Aber wenn ich schon in meinem Liebesleben kein großes Los ziehe, sollte es zumindest im Job keine Niete sein.
Oliver
Erst Carlo, dann ein Blind Date. Und diese Erfahrungen nennt sie spärlich? Andererseits zählt Carlo wohl nicht ernsthaft in die Kategorie aktuelle Erfahrungen. Oder vielleicht doch? Aktuell ist ja nun auch ziemlich relativ, immerhin sind diese Aufnahmen ja auch älter als ... Älter als was eigentlich? Älter als mein Job bei Ariella’s Choice ? Älter als meine Bekanntschaft mit Meena? Wobei Bekanntschaft ja nicht wirklich Bekanntschaft ist. Ist die Unfähigkeit, auf den Punkt zu kommen, eigentlich ansteckend?
Meena
Das Treffen war einschläfernd. Mama würde jetzt sagen: Du hast auch an jedem Typen etwas auszusetzen. Oder: Dir kann es kein Mann recht machen. Vermutlich hat sie recht: Kein Mann kann es mir recht machen. Trotzdem weigere ich mich, die Schuld daran bei mir zu suchen.
Ist es denn wirklich so absurd, Hoffnungen auf die Bekanntschaft mit einem Mann zu hegen, der mich nicht zum Gähnen bringt? Der nicht nur über seinen Job in einer Transportfirma redet und der in der Lage ist, mir länger als zwei Sekunden in die Augen zu schauen, ohne dabei rot zu werden? Gibt es sie denn wirklich nicht mehr, die Kerle, die mit beiden Beinen im Leben stehen? Die wissen, was sie wollen und trotzdem in der Lage sind, auch wahrzunehmen, was ICH will?
Den Gedanken, meine Erfahrungen auf dem Blind Date für eine Kolumne zu verwenden, habe ich wieder verworfen, schließlich möchte ich ungern dieselbe Wirkung auf meine Leserinnen haben wie dieser Typ auf mich.
Also: Weitergrübeln.
Meena
Ja, ich weiß. Ich erwarte zu viel. Vom Leben. Von den Männern. Am meisten allerdings von mir selbst. Und ist im Grunde das nicht der Ursprung all meiner Probleme? Wäre nicht vieles so viel leichter, wenn ich mich mit weniger zufrieden gäbe?
Aber wo hört wenig auf, und wo fängt viel an? Ich möchte so viel erreichen, so viele Menschen erreichen, vor allem aber diesen einen Menschen, der mich so nimmt, wie ich bin. Ich habe einfach das Gefühl, auf der Stelle zu treten, auf der ständigen Suche nach mir selbst. Denn erst, wenn man weiß, wo man selbst steht, kann man auch von jemand anderem gefunden werden. Oder?
Schon als junges Mädchen habe ich immer gedacht, etwas Besonderes zu sein. Jemand Besonderes. Aber dieser Glaube macht es einem nicht unbedingt leicht, das passende Gegenstück zu finden, ganz gleich, ob es dabei um die berühmte bessere Hälfte oder einfach nur um gute Freunde geht. Ich merke einfach, heute noch mehr als früher, dass mich die meisten meiner Mitmenschen schon nach kurzer Zeit nerven. Die Oberflächlichkeit, mit der sie den Dingen begegnen. Das Desinteresse an beinahe allem. Der nicht vorhandene Drang, seine eigene Leidenschaft zu leben.
Schon in der Schule war es mein Traum, irgendwann mit dem Schreiben mein Geld zu verdienen. Während ich mit Faszination dem Unterrichtsstoff folgte und mit Begeisterung Gedichte interpretierte, schrieben sich meine Mitschüler kleine Zettelchen, amüsierten sich über den unvorteilhaften Pullover irgendeines Mädchens (manchmal auch meinen) und zählten die Minuten bis zum Pausenklingeln.
Jahre später fing die Schule zwar an, auch mich zu nerven, aber das Gefühl, nicht wirklich zu den
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