Memo von Meena (German Edition)
Fragen zu stellen! Der Mann tat seinen Job, nichts weiter.
Müde von den eigenen Hirngespinsten legte sie die Karte auf ihren Nachtschrank. Ihr Blick fiel auf ihr Handy, das ebenfalls auf dem Schränkchen lag. Der Hauch einer Idee wurde in ihr wach, doch schon im nächsten Moment verwarf sie sie wieder. Vergiss es, Meena. Du kennst ihn nicht. Er kennt dich nicht. Und im Moment hast du weiß Gott andere Probleme.
Kapitel 8: Lieber Herr Stellvertreter
Meena:
Lieber Herr "Stellvertreter". Ich versuche seit mittlerweile drei Stunden erfolglos, den Grund Ihres Besuchs nachzuvollziehen. Ihre (für einen Mann übrigens etwas zu violette) Visitenkarte wollte mir keine wirkliche Antwort auf diese Frage geben. Können Sie es vielleicht?
Oliver:
Hallo Frau Teske. Ich freue mich, dass Sie sich melden. Wäre es vielleicht möglich, dass wir kurz telefonieren? Dann könnte ich mein Anliegen sicher sehr viel besser erläutern (und möglicherweise auch den Grund für die Farbwahl meiner Visitenkarte).
Meena:
Auch wenn meine Mutter möglicherweise eine etwas schroffe Art hatte, Ihnen dies mitzuteilen, ist es trotzdem nicht weniger wahr: Ich brauche absolute Ruhe. Tut mir leid, aber ich habe mir selbst jede Art von Telefonaten und anderen Gesprächen untersagt.
Oliver:
Ich gebe zu, dass sich meine Kenntnisse in problematischen Schwangerschaften in Richtung Null bewegen, aber erlauben Sie mir trotzdem die Frage, inwiefern eine SMS weniger aufwühlend ist als ein persönliches Gespräch? Es ging mir lediglich um ein paar Fragen zur Kolumne.
Meena:
Ist diese Frage etwa ernst gemeint?
Oliver:
Die Frage zur Kolumne?
Meena:
Die Frage, ob eine SMS weniger aufwühlend ist als ein persönliches Gespräch.
Oliver:
Natürlich war die Frage ernst gemeint.
Meena:
So eine Frage kann auch nur von einem Mann kommen. Natürlich ist ein Gespräch wesentlich aufwühlender als eine Nachricht. Bei einer Nachricht kann man in Ruhe darüber nachdenken, was man antwortet oder nicht antwortet, was man fragt oder nicht fragt, was man wissen will oder nicht, während man bei einem Gespräch allen Worten, Gedanken und Emotionen schutzlos ausgeliefert ist. Sowohl den eigenen als auch denen des anderen.
Oliver:
Ich sage es nur sehr ungern, aber mit IHNEN zu kommunizieren, scheint mir auf allen Wegen aufwühlend. Und das sage ich als Fremder nach einem ersten flüchtigen Eindruck. Wie muss es erst sein, wenn man Sie gut kennt?
Meena:
Keine netten Worte von jemandem, der versucht, wie ich zu sein.
Oliver:
Ich versuche nicht, wie SIE zu sein, sondern den Eindruck zu erwecken, als wäre ich SIE.
Meena:
Das ist dasselbe.
Oliver:
Wie waren wir eigentlich zur Frage nach einem Telefonat verblieben?
Meena:
Sie hören nicht sehr gut zu, oder?
Oliver:
Sie meinen, ich lese nicht sehr gut.
Meena:
Welche Fragen zur Kolumne sind denn so wichtig, dass Sie extra vorbeikommen müssen, um mir Ihre Karte zu hinterlassen und nun alles daran setzen, mit mir zu sprechen?
Oliver:
Wichtig ist ein sehr dehnbarer Begriff. Ich hätte nur einfach gern Ihre Meinung zu ein paar Grundprinzipien gewusst. Ich arbeite gerade an der dritten Kolumne und merke, dass es doch leichter ist, sich eigene Gedanken zu einem Thema zu machen als zu versuchen, die Gedanken eines anderen Menschen zu imitieren.
Meena:
Sie meinen, die Gedanken einer Frau.
Oliver:
IHRE Gedanken, um genau zu sein.
Meena:
Wie kann ich Ihnen da helfen? Sie haben den Vertrag unterschrieben, somit ist es IHR Problem, oder? Ich bin derzeit im Grunde gar nicht existent.
Oliver:
Ist es Ihnen denn völlig egal, was ich aus Ihrer Kolumne mache? Ob die Themen in Ihrem Sinne sind und auch den Vorlieben der Leserinnen entsprechen?
Meena:
Raja hat Ihnen doch meine Memos gegeben, oder nicht?
Oliver:
Ja, aber ein Memo ist eben nicht dasselbe wie ein persönliches Gespräch.
Meena:
Die Beharrlichkeit, mit der Sie versuchen, mich zu einem Gespräch zu bewegen, lässt ja fast annehmen, dass mehr dahinter steckt.
Oliver:
Was sollte mehr dahinter stecken als die Kolumne? Ich kenne Sie doch gar nicht.
Meena:
Eben.
Oliver:
Also, helfen Sie mir nun?
Meena:
Ich glaube nicht, dass ich Ihnen eine Hilfe sein könnte.
Oliver:
Aber natürlich. Wer könnte mir besser sagen, wie er über bestimmte Dinge denkt, wenn nicht Sie selbst?
Meena:
Darum geht es ja: Ich möchte
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