Memoiren 1945 - 1987
eingerieben, bis ein silberblauer Glanz entsteht.
Eines Abends, die Nansen-Leute, der Polizist und Rolf schliefen schon, war ich noch mit dem Reinigen meiner Fotokameras und Optiken beschäftigt, als aus der Dunkelheit vier junge Nuba-Männer heraustraten, die ich längere Zeit nicht mehr in unserem Lager gesehen hatte. Sie waren mit weißen Ornamenten bemalt und hielten gitarrenartige Instrumente in den Händen.
Während sie neugierig mein Tun beobachteten, spielten sie auf ihren Gitarren. Auf meine Frage, wohin sie gingen, verstand ich nur das Wort «baggara». So wurden Nomaden genannt, die mit großen Kamelherden von Zeit zu Zeit vorbeizogen. Ich dachte, sie wollten sich zu einem ihrer Lager auf den Weg machen. Da ich dort gern fotografiert hätte, bat ich, sie begleiten zu dürfen. Sie waren sofort einverstanden.
Es war eine helle Mondnacht, ich ließ meine Taschenlampe zurück und nahm nur Kamera und Blitzgerät mit. Wir gingen hintereinander einen schmalen Pfad. Hierbei machte ich die Beobachtung, daß die Nuba über ein ungewöhnliches Hörvermögen verfügen. Der Mann an der Spitze war gut fünfzig Meter von dem letzten entfernt, und doch unterhielten sich die beiden, als gingen sie nebeneinander her.
Nach zwei bis drei Stunden Weges blieb die Gruppe stehen. Weit und breit konnte ich nichts von einem Nomadenlager entdecken. Wir standen vor einer Dornenhecke, hinter der nach einigen Rufen ganz verschlafen ein Knabe hervorkam. Er zog einen Baumstamm aus der Hecke, und wir betraten ein Hirtenlager. In der Mitte des Kraals sah ich im Mondlicht einige Rinder liegen, und, auf runden Hölzern schlafend, junge Nuba-Männer. Neben ihnen brannte ein kleines Feuer, das von acht- bis zehnjährigen Knaben bewacht wurde. Stolz deutete Tukami, der älteste der Gruppe, auf die Rinder. «Baggara», sagte er. Nun erst verstand ich, was das bedeutete. Ohne Zweifel waren «baggara» Rinder, nicht, wie ich glaubte, Nomaden.
Damals wußte ich noch nicht, was Rinder für die Nuba wirklich waren — sie sind das Wertvollste, was sie besitzen, die Verbindung zu ihrem Gott. Wie den Hindus, sind ihnen ihre Rinder heilig, und sie halten sich dieselben für ihre kultischen Handlungen. Nur zu Ehren der Toten dürfen sie geopfert, nicht aber zum Lebensunterhalt getötet werden. Viele Familien besitzen nur ein bis zwei Rinder, und wer mehr hat, ist schon wohlhabend, wer sieben bis acht sein eigen nennt, ist ein reicher Mann. Welch ein Gegensatz zu den Masai, die bis zu tausend Rinder besitzen können.
Inzwischen waren die schlafenden Nuba wach geworden. Sie begrüßten uns freudig und setzten sich mit uns um das Lagerfeuer. In dieser nächtlichen Stunde erfuhr ich viel Neues, beispielsweise, daß keine Nuba-Frau einen Hirtenkraal betreten darf. Sie erzählten auch, daß die jungen Ringkämpfer, die in der «noppo», so nennen sie ihre Kraals, leben, während dieser Zeit mit keiner Frau schlafen dürfen, auch nicht, wenn sie verheiratet sind. Die «noppo», auf arabisch «Seribe» genannt, ist für die Nuba eine Schule zur Heranbildung und Erweckung ihrer geistigen und religiösen Kräfte.
In der Nacht fand ich kaum Schlaf, meine Schlafstätte bestand auch aus einigen runden Baumstämmen, und mein Kopf lag auf einem Stein, und doch mußte ich irgendwann eingeschlafen sein. Als ich erwachte, schien schon die Sonne, und die Nuba waren mit ihrer «Morgentoilette» beschäftigt. Die Fotos, die ich nun ungestört machen konnte, haben Jahre später in der Welt Aufsehen erregt. Es waren biblische Bilder, wie aus der Urzeit der Menschheit.
Es war Mittag, als mich Tukami und zwei andere Nuba nach Tadoro zurückbrachten. Keiner der Nansens fragte mich, wo ich gewesen war, mit keinem konnte ich über das Erlebte sprechen — nur meinem Notizbuch vertraute ich die Erlebnisse dieser nie wiederholten Nacht an.
Als wir am nächsten Tag in aller Früh unseren Lagerplatz verließen, um in den Durafeldern Aufnahmen von den Erntearbeiten der Nuba zu machen, war die Temperatur erträglich, schon nach einer Stunde aber war es glühend heiß. Die Nansen-Leute, denen ich durch das mannshohe Duragetreide gefolgt war, hatte ich längst verloren, ich begann ängstlich zu werden, und vor allem plagte mich der Durst. Außer den bambusstarken Stengeln des Durakorns sah ich keinen Strauch oder schattenspendende Bäume. Wie in einem Irrgarten lief ich herum. Dann stieß ich wieder auf die Nansen Leute, sie hatten keinen
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