Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
Nuba haben Leni gern).
      Über unser Leben unter diesen Menschen, wie ich es empfand, schrieb ich nach Hause:

    25.12.1962
    Liebste Mutter,
       gestern am Heiligen Abend waren meine Gedanken bei Dir, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie einfach wir hier leben, aber Du kannst mir glauben, daß dieses Leben, unbelastet von allen Ein richtungen unserer Zivilisation, etwas Befreiendes hat. Herrlich ist es, daß wir Tag und Nacht in der frischen Luft zubringen, daß wir weder durch Post und Telefon gestört werden und keine Zeit mit unserer Garderobe verlieren. Aber das ist nicht alles. Die Schwar zen hier, unter denen wir leben, sind so lustig, daß ich keinen Augenblick Langeweile verspüre. Gestern abend, das hättest Du sehen sollen, was sich da bei uns abgespielt hat. Wir saßen zum Abendessen auf Kisten, konnten uns aber nicht rühren, weil sich auf jeder Kiste die Nuba so dicht neben uns gesetzt haben. Einige hundert Nuba waren um uns im Kreis versammelt. Der Grund der Anziehung war unser Radio, mit dem wir versuchten, die deutsche Afrikawelle zu empfangen. Für die Nuba war das etwas Fremdes, was ihnen aber sehr zu gefallen schien. Im Hintergrund standen Männer mit Speeren, im Vordergrund waren es mehr die alten Leute. Die Halbwüchsigen und die ganz kleinen Kinder saßen vor uns auf dem Boden. Es war ein seltsames Gefühl, so tief im afrika nischen Busch die Weihnachtslieder zu hören — sorge Dich nicht um mich — ich bin glücklich und gesund
    Deine Leni

    Ich vergaß zu erwähnen, daß wir seit Kadugli ein Mitglied mehr in
    unserer Gruppe hatten. Es war ein junger sudanesischer Polizist, der uns begleiten mußte, nicht zum Schutz, was bei den friedliebenden Nuba nicht notwendig war, sondern der verhindern sollte, daß wir Aufnahmen von unbekleideten Nuba machten. Zum Glück wurde unser sympathischer «Bewacher» von den hübschen NubaMädchen abgelenkt, so daß wir wenig Probleme mit dem Fotografieren hatten, schon deshalb nicht, weil eine ganze Anzahl der Nuba bereits bekleidet waren. Ab und zu kamen auch in die entlegendsten Winkel der Nuba-Berge Lastwagen, in denen sudanesische Beamte kostenlos Kleidungsstücke an die Eingeborenen verteilten, meist kurze rote, blaue und grüne Hosen, aber auch Hemden und Tücher. Da die Nuba keine Seife und sehr wenig Wasser hatten, waren ihre Sachen schnell verschmutzt und in kurzer Zeit zerrissen. Auch besaßen sie kein Geld, sich neue Sachen zu kaufen. Trotz angedrohter Strafen zogen es viele vor, so herumzulaufen, wie sie der liebe Gott geschaffen hat und wie sie es seit Vorzeiten gewohnt waren.
      Zweimal am Tag wurde gegessen — bei Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang, sechs Uhr früh und sechs Uhr abends. Beide Male gab es Brei aus gemahlenem Korn, meist ohne jedes Gewürz, nur mit Wasser gekocht, selten mit der raren Milch.
      Auch unsere Mahlzeiten waren einfach: In der Früh ein Pott Kaffee oder Tee und einige Scheiben Pumpernickel, die wir in den ersten Tagen noch mit Honig bestreichen konnten. Danach gab es eine kleine Ecke Schmelzkäse, das einzige Fett, da die Nansens nicht einmal Öl zum Kochen mitgenommen hatten. Meist aßen wir erst am Abend Nudeln oder Reis, selten um ein knochiges zähes Huhn bereichert. Konserven hatten die Nansens aus Platzmangel nicht mitgenommen. Als ich Luz einmal fragte, warum er nicht wenigstens Haferflocken dabei hatte, antwortete er: «In russischer Gefangenschaft hatten wir auch nicht mehr zu Essen.»
      Trotz dieser kargen, fettlosen Nahrung waren wir alle gesund. Auch ich habe mich, obgleich ich beträchtliches an Gewicht verlor, selten in meinem Leben so wohl gefühlt. So konnte ich trotz der immer mehr zunehmenden Hitze stundenlang mit den Nuba durch die Felsen klettern, um mir auch ihre sehr weit abliegenden Häuser anzusehen. Die Nuba-Häuser sind sehenswert. Bei keinem anderen Stamm in Afrika habe ich ähnliche Bauten angetroffen. Jeder Wohnkomplex umfaßt fünf bis sechs Rundhäuser, die durch Mauern ringförmig miteinander verbunden sind. Der Eingang führt auf einen Innenhof, in dem sich die Feuerstelle befindet. Dort nehmen die Nuba ihre Mahlzeiten ein und gehen ihren Beschäftigungen nach. Die Wände sind mit Malereien von Menschen, Tieren und Gegenständen in braunen, gelben, weißen und blauen Farben geschmückt, und manche schimmern in Silberblau, das wie blauer Marmor wirkt. Auf die lehmverschmierten Steinwände wird graphithaltige Erde aufgetragen und tage-, ja wochenlang mit dem Daumenballen

Weitere Kostenlose Bücher