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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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ungewöhnlich starke innere Kräfte verfügen.
      Als wir uns verabschiedeten und versprachen, uns öfter zu sehen, verloren meine eigenen Probleme an Bedeutung.

    Weihnachten bei den Nuba

    A nfang Dezember, es war das Jahr 1966, flog ich wieder in den Sudan. Dieses Mal nur für 28 Tage. Mein verbilligtes Flugticket hatte nicht länger Gültigkeit. Ich hatte nur leichtes Reisegepäck mitgenommen, denn ein Wiedersehen mit den Nuba war wegen des kurzen Aufenthalts nicht möglich. Der erste Brief, den ich nach meiner Ankunft an ein junges Mädchen schrieb, das während meiner Abwesenheit das Wichtigste zu Hause erledigen sollte, zeigt besser, als ich es heute beschreiben könnte, in welcher Verfassung ich mich befand.

    Khartum, 4. 12. 66 Meine liebe Traudl,
       mein erster Brief aus Khartum. Pünktlich kam ich um Mitter nacht hier an. Meine Übermüdung war so groß, daß ich im Flug zeug nicht einschlafen konnte. Ich wurde von Herrn und Frau Weistroffer und anderen deutschen Bekannten abgeholt. Im Haus haben wir noch eine Stunde im Garten gesessen, dann sind meine Freunde schlafen gegangen, sie müssen jeden Morgen um 6 Uhr aufstehen. Das neue Haus, das ich noch nicht kannte, ist noch schöner als das frühere. Sehr große Bäume und ein herrlicher Garten, der von einer drei Meter hohen grünen Pflanzenhecke um säumt ist. Viele Blumen und blühende Büsche. Ich habe mich allein in den Garten gesetzt, entspannt Himmel und Sterne betrachtet und bin dann nachts um vier Uhr zu Bett gegangen. Dann verfiel ich in tiefen Schlaf und wachte erst nach elf Stunden am Nachmittag auf. Familie Weistroffer sah ich nicht, da sie nachmittags ruhen. Koch und Diener waren nicht da, so daß ich ganz allein im Haus und Garten herumspazierte. Ich fühlte mich frei und beinahe wieder glücklich. Meine Gedanken schweifen natürlich schon zu den Nuba. Schicke mir bitte einige leere Blechdosen, wo ich Tee, Zucker und Trockenmilch aufbewahren kann, und mehrere Plastikbecher. So etwas gibt es hier nicht — ich brauchte dies, falls ich doch nach den Nuba-Bergen fahren sollte.
    Herzlichst Deine L. K.

    Sayed Ahmed Abu Bakr, immer noch Chef im Ministerium für Touristik, hatte mir die Nuba-Reise im Prinzip schon genehmigt, aber ich konnte mir kein Fahrzeug beschaffen. Ein Trost war seine Einladung zu einer ungewöhnlichen Safari, an der 500 Gäste, meist Diplomaten aus vielen Ländern und Mitglieder der sudanesischen Regierung, teilnahmen. Tausend Kilometer südöstlich von Khartum sollte der Roseiresdamm am Blauen Nil eingeweiht werden, an dem mit deutscher Hilfe sechs Jahre gearbeitet worden war, anschließend der «Dinder Park», der größte Tier-Nationalpark im Sudan, besichtigt werden.
      Die Eisenbahnfahrt zum Roseiresdamm dauerte 31 Stunden, zwei Nächte und einen Tag. Ich hatte ein Schlafwagenabteil und konnte mich während dieser langen Fahrt gut ausruhen. In Begleitung von Abu Bakr befand sich ein junger Engländer, der in Khartum, ich glaube bei «Philips», arbeitete, aber auch Journalist war. Er kannte meine Filme und interessierte sich für alles, was ich tat. Stundenlang ließ er sich aus meinem Leben erzählen.
      Bei der Ankunft in Roseires schien eine strahlende Sonne. In der glühenden Hitze spürte ich noch sehr den Grad meiner Erschöpfung, und es fiel mir schwer, durch den heißen Sand zu gehen. Bis zum Damm, ein imponierendes Bauwerk, gingen wir eine knappe halbe Stunde. Ich hatte meine neue Leica mitgenommen, und beim Fotografieren vieler interessanter Motive vergaß ich meine Müdigkeit. Dann bemerkte ich, wie mir das Wasser von der Stirn lief, wie die Haut salzig wurde und wie mich dieser kurze Weg anstrengte, nur mühsam konnte ich mich noch aufrechthalten.
      Die Eröffnungszeremonie mit ihren Ansprachen und das in einem großen, mit Ornamenten versehenen Zelt gereichte Festmahl, dem Tänze der Eingeborenen-Stämme folgen sollten, strengten mich zu sehr an. Ich bat den jungen Engländer, mich zum Zug zurückzubringen. Der Zug hatte inzwischen rangiert, einige Waggons abge koppelt, auch den Schlafwagen. Ich stieg in den ersten Wagen, der vor mir stand, legte mich dort auf den Boden, und niemand hätte mich mehr von hier weggebracht. Als der Engländer mich fand, sagte er erschrocken: «Kommen Sie, Frau Riefenstahl, das ist der Wagen des Präsidenten. Hier können Sie nicht bleiben.»
      Ich konnte die Augen nicht mehr offenhalten und schlief ein. Als ich nach mehreren Stunden erwachte, war es längst Abend

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