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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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die in dem Zimmer stand, im Ehebett schlafe. Er brachte eine große Zinnwanne mit Wasser herbei und ließ es sich nicht nehmen, mir die Füße zu waschen, so peinlich mir das auch war. Als Gast von Sudanesen ist es schwierig, etwas abzulehnen, es wäre eine schwere Kränkung.
      Es war schon der 21. Dezember geworden, als wir endlich am Vormittag Tadoro erreichten und ich in kürzester Zeit von meinen Nuba stürmisch umringt war. Ihre Freude und Begeisterung nahm Formen an, wie ich sie noch nicht erlebt hatte. Man nahm mich auf die Schultern, und alle um mich herum fingen zu tanzen und zu singen an. Mein Fahrer und seine Araber schauten sprachlos zu.
      Fast alle meine alten Freunde waren da. Nun wurde erst einmal beraten, wo ich untergebracht werden sollte, denn sie wußten nun, daß ich nur wenige Tage bleiben könnte. Da war keine Zeit, eine Hütte zu bauen, aber im Freien wollten sie mich wegen der abendlichen Stürme nicht schlafen lassen. Schon nach wenigen Minuten wurde das Nuba-Haus von Natu, der sich zur Zeit in seiner Seribe befand, für mich freigemacht, und die Männer, Frauen und Kinder, die in dem Haus wohnten, bei Freunden untergebracht. Nur Nua, eine ältere Frau, und zwei Knaben sollten bleiben, damit ich nicht ganz allein war. Meine weiteren Mitbewohner waren Ziegen, kleine Schweine und Hühner. Inzwischen hatten Frauen und Männer die Kisten, auf den Köpfen tragend, zu dem Haus hinaufgebracht. Mohamed wollte lieber mit seinen beiden Gehilfen in der Schule von Rheika bleiben.
      Von nun an war mein Haus überfüllt, von weither kamen die Nuba, um mich zu begrüßen. Es war so, als wäre hier die Zeit stehengeblieben, als wäre ich erst vor wenigen Tagen abgereist. Nichts hatte sich verändert. Schon am nächsten Tag machte ich mich zu einem Besuch in die Korongo-Berge auf, ein ungeheurer Spaß für meine Nuba, denn wer immer Platz auf unserem großen LKW fand, fuhr mit. Es war eine Strecke von ungefähr 35 Kilometern, die sie sonst zu Fuß laufen mußten. Auch von den KorongoNuba wurde ich überschwenglich begrüßt. Sie erhielten ihre kleinen Geschenke, und sie beschenkten auch mich. Ich bekam Hühner, Erdnüsse und Kalebassen.
      Nach meinem Kalender war es Heiligabend, und schon das dritte Mal verbrachte ich die Weihnachtsfeiertage bei den Nuba. Aus Khartum hatte ich Kerzen und einen künstlichen grünen Tannenzweig mitgenommen, dazu viel Lametta, denn alles, was glitzert, gefällt den Nuba. Ich hatte mir eine kleine Weihnachtsfeier ausgedacht, eine Überraschung, denn die Nuba wissen ja nicht, was das ist: Weihnachten. Als ich dann in der Dämmerung in meiner Hütte die Kerzen entzündete, stellte sich heraus, daß die Nuba noch nie eine Kerze gesehen hatten. Lautlos wurde alles beobachtet. Dann fragten sie, was das bedeutet. Ich versuchte, ihnen eine kleine Geschichte zu erzählen, band mir ein Bettlaken um, drapierte mich ein bißchen als Engel und hatte einen Mordsspaß, mich mit meinen wenigen Sprachbrocken mit den Kindern zu unterhalten. Ich versuchte ihnen klarzumachen, daß an diesem Tage in «Alemania» die Kerzen brennen und alle Kinder geprüft werden, ob sie brav oder nicht brav waren. Ganz ernst hörten sie zu. Es war einfach wonnig, wie sie mich mit ihren großen Augen ansahen.
      Dann stellten Alipo und Natu die Kinder in zwei Reihen vor der Hütte auf, immer mehr kamen herbei, und bald waren fünfzig oder sechzig beisammen. Ich hatte einen Sack voll Bonbons mitgebracht und legte nun in jedes Händchen einige hinein. Die Kinder waren selig über eine solche Kleinigkeit. Dieses Lachen, diese Freude, es war wie Vogelgezwitscher, das ging auch auf die älteren Nuba über. Dann nahm ich meine anderen Vorräte heraus, Brot- und Wurstkonserven, beschmierte Brote, und verteilte sie an die Erwachsenen. Dabei beobachtete ich, wie fast jeder, der eine Brotscheibe erhielt, einige Stückchen davon abbrach und diese an Kinder und ältere Leute, die im Hintergrund standen, weitergab.
      Inzwischen hatten Frauen das Marissebier gebracht, und die Stimmung wurde immer fröhlicher. Auf dem Höhepunkt äußerten einige Nuba-Männer den Wunsch, ob ich sie nicht nach «Alemania» mitnehmen könnte. Als ich ihnen sagte, daß es hier viel, viel schöner sei, wollten sie mir nicht glauben. Das brachte mich auf eine lustige Idee. Ich gab einem Nuba meine Handtasche und sagte, er solle langsam durch den schmalen Gang der Hütte gehen, ohne sich aber umzuschauen. Alle schauten gespannt zu. Dann

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