Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
stehen die Nuba auf, an diesem Morgen wurde es allerdings etwas später. Als ich erwachte, war ich durch die bevorstehende Trennung bedrückt. Meine Gedanken waren so mit den Nuba beschäftigt, daß ich kaum an meine Freunde in Khartum dachte. Es war die Atmosphäre hier, von der ich mich immer so schwer lösen konnte. Zum dritten Mal fand ich bestätigt, daß ich trotz vieler Entbehrungen unter diesen Menschen glücklich war.
      Als es hell wurde, kamen die ersten Nuba. Sie wollten mich überreden, sie nicht zu verlassen. Es wurden immer mehr. Während ich meine Sachen zusammenpackte, kam die Lorre. Beim Anblick meiner Kisten wurde mir angst und bange, Mohamed konnte mich zwar in Semeih absetzen, aber unmöglich auf die Ankunft des Zuges warten, er mußte dringend nach El Obeid zurück. Der Zug, der nur wenige Minuten in Semeih hält, ist total überfüllt, und außer dem Bahnhofsvorsteher gibt es niemand, der die schweren Kisten in die Waggons stellen könnte. Während mir diese Gedanken durch den Kopf schossen, fragte mich einer der Nuba, ob ich ihn bis nach Khartum mitnehmen würde. Es war Dia aus Taballa, ein junger Ringkämpfer.
      «Was willst du in Khartum?» fragte ich.
      «Buna gigi Leni nomandia», er möchte sehen, wie ich in den großen Vogel einsteige und zum Himmel fliege. Ich lachte ihn aus und nahm das nicht ernst. Es wäre auch keine Zeit gewesen, ihn einzukleiden, denn er hatte nur ein Hüfttuch um.
      Ich sagte: «Nein, Dia, ich kann dich nicht mitnehmen, das geht nicht.»
      Er bat so inständig, daß mir der Gedanke kam, es könnte eigentlich ganz gut für mich sein, wenn ich nicht allein reisen müßte und er mir beim Verladen der Kisten helfen könnte. Während ich noch überlegte, meldeten sich mehrere Nuba, die mitreisen wollten. Dia allein durfte ich keinesfalls mitnehmen, große Eifersucht würde ausbrechen und Dia sie zu spüren bekommen. Zwei Nuba konnte ich mitnehmen, der zweite konnte nur Natu sein. Er war auch sofort bereit. Der arabische Fahrer drängte, gab Natu aber noch soviel Zeit, sich rasch von seiner Frau zu verabschieden. Dann ging alles blitzschnell. Wir konnten nicht einmal mehr Kleidungsstücke für Dia und Natu besorgen. Unter Händeschütteln und großem Abschiednehmen kamen wir wieder etwas zu spät von Tadoro los.
      Noch konnte ich mir nicht vorstellen, wie ich mit den so spärlich bekleideten Nuba reisen sollte. Auch Natu trug nur ein Hüfttuch. Wir konnten uns nicht einmal in Kadugli blicken lassen. Deshalb wollte ich sie auf keinen Fall nach Khartum, sondern nur bis Semeih mitnehmen.
      Wir konnten nur sehr langsam fahren. Der Wagen war nicht ganz in Ordnung, und ich zitterte während der ganzen Fahrt, wir könnten den Zug verpassen. Üblicherweise mußte man einen Tag vorher dort sein, um von der Station aus Plätze reservieren zu lassen, um die Sicherheit zu haben, auch mitzukommen.
      Es war sehr kalt, und wir froren auf der Lorre, so unwahrscheinlich das klingen mag. Immer wieder gab es Pannen, mal waren es die Reifen oder mit dem Motor stimmte etwas nicht. Meine Angst, den Zug zu verfehlen, wuchs. Kurz vor Semeih blieb der Wagen stehen. Wieder war die Lichtmaschine defekt. Es war dunkel, und es dauerte einige Stunden, bis Mohamed den Wagen repariert hatte. Ich schwor mir, nie wieder so unüberlegt und emotional zu handeln.
      Um zwei Uhr nachts waren wir schließlich in Semeih, hungrig, müde und frierend. Den Zug hatten wir noch geschafft, er würde morgen in aller Früh eintreffen. Wir versuchten, auf dem Wagen zu schlafen. Am meisten froren meine beiden Nuba. Ich kramte in meinen Sachen und gab Dia eine Trainingshose, die zwar viel zu kurz war, aber bei den schmalen Hüften der Nuba reichte sie gerade noch. Natu bekam die Jacke, die viel zu eng war, ihn aber doch etwas vor der Kälte schützte. Dann hatte ich zum Zudecken noch Kleider und Schals, in die sie sich einpackten. Sie sahen aus wie Karnevalsfiguren.
      Noch vor Sonnenaufgang weckte uns Mohamed. Wir mußten aus dem Wagen heraus, denn er hatte pünktlich in El Obeid zu sein. Natu und Dia schleppten die Kisten auf den Bahnsteig, und noch ehe ich ihnen erklären konnte, daß ich sie in diesem Aufzug nicht nach Khartum mitnehmen könnte, rollte der Zug ein. Er war, wie ich befürchtete, total überfüllt. Fassungslos starrten die Nuba die Eisenbahn an. Sie hatten noch nie in ihrem Leben einen Zug gesehen, für sie war es ein großes Haus auf Rädern, und andauernd stellten sie

Weitere Kostenlose Bücher