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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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dort zu bleiben.

    Ein schwieriges Jahr

    I ch war wieder in München. Der Himmel war grau, das Wetter kühl und neblig. Die Post hatte das inzwischen erschienene «Sunday Times Magazine» mit einem eindrucksvollen Bildbericht von den Nuba und einem vorzüglichen Text gebracht. Auch fragte die Re daktion an, ob ich für sie im kommenden Jahr die Olympischen Spiele in Mexiko fotografieren könnte.
      Um meine Gesundheit sah es nicht gut aus. Ich schlief schlecht, war immer müde und verfiel in Depressionen. Ich litt sehr unter der Einsamkeit, die ich selbst suchte. Deshalb zog es mich immer mehr nach dem Sudan, dort sah ich mein ausschließliches Ziel. Ich war überzeugt, daß ich meinen Frieden nur noch bei den Nuba finden würde. Um dies erreichen zu können, mußte ich mir erst ein Existenzminimum schaffen. Meine Schulden belasteten mich immer mehr. Ich hatte nie Beiträge für eine Rente geleistet, also würde ich im Alter der Sozialhilfe zur Last fallen — ein unerträglicher Gedanke. Da kam mir zum ersten Mal die Idee, gegen eine monatliche Rente die Urheberrechte meiner sämtlichen Filme sowie das reichhaltige Fotoarchiv und das noch verwendbare Nuba-Filmmaterial wegzugeben, dazu die Negative meiner Filme und die vielen Theaterkopien, die ich noch besaß. Beinahe wäre ich zu einem so folgenreichen Vertrag gekommen, aber kurz vor der Unterzeichnung zog derjenige, der an dem Projekt ernsthaft interessiert war, seine Unterschrift zurück. Für eine monatliche Rente von nur 1000 DM war ich damals bereit, alles, was ich besaß, abzugeben. Ich wußte keinen Ausweg mehr aus meiner Lage. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Nuba-Fotos und Filmlizenzen kamen zu unregelmäßig und sicherten mir kein noch so anspruchsloses Existenzminimum. Dazu die Unsicherheit des noch immer schwebenden Prozesses, den Herr Mainz gegen Leisers «Minerva-Film» in der Angelegenheit meiner Urheberrechte am «Triumph des Willens» führte. Ich befand mich in einer verzweifelten Verfassung.
      In diesem Zustand hielt ich es in München nicht aus. Ich packte mein halbes Büro in meinen alten Opel, nahm Traudl, das junge Mädchen, das mich während meiner Abwesenheit vertreten hatte, als Schreibkraft mit und fuhr in die Berge. Wir nahmen uns ein bescheidenes Zimmer. Für die Zeit meiner Abwesenheit hatte ich meine Wohnung vermieten können.
      Aber dieses Mal, ich war wieder in St. Anton, stellte sich eine Erholung, wie ich sie sonst hier immer fand, nicht ein. Vielleicht war das Arbeitspensum, das ich mir zumutete, zu groß. Ich hätte dringend eine gute Sekretärin gebraucht.
      Und in der Tat sollte sich dieser Wunsch bald und auf ungewöhnliche Weise erfüllen. Als Inge Brandler im April 1967 zum ersten Mal zu mir kam, ahnte ich nicht, welche Bedeutung dies für mein weiteres Leben haben würde. Ein junger Mann, Herr Grußendorf, der einige Male Schreibarbeiten für mich ausführte, hatte sie mir empfohlen. «Sie bewundert Sie», sagte er, «ich kenne sie vom Münchenkolleg, wo sie als Sekretärin arbeitet.»
      «Dann hat sie doch keine Zeit für mich.»
      «Doch», sagte er, «ich habe schon mit ihr gesprochen, sie würde gern außerhalb ihrer Dienstzeit für Sie schreiben oder auch andere Büroarbeiten erledigen, aber Geld würde sie auf keinen Fall dafür nehmen.»
      Als ich sie nach meiner Rückkehr aus den Bergen vor mir stehen sah, klein und zierlich, hätte ich es für ausgeschlossen gehalten, daß ein so kleines Menschenkind ein solches Bündel von Vitalität und Willenskraft sein kann. Schon am nächsten Tag begann sie mit ihrer Arbeit, die uns als Freunde bis zum heutigen Tag verbindet. Nie wurde ihr etwas zuviel. Sie kam am Abend und blieb oft bis Mitternacht. Immer guter Laune, nie Müdigkeit zeigend, übernahm sie in kurzer Zeit mehr und mehr Pflichten. Jede freie Stunde, jeden Sonnabend und Sonntag und auch die Feiertage schenkte sie mir. Bald wurde sie mir so unentbehrlich, daß ich ohne sie die schweren Krisen, in die ich immer von neuem geriet, kaum hätte überstehen können.
      Aus London kam eine Einladung, ich sollte einigen Interessenten die von Geyer neu kopierte Ringkampfrolle vorführen. Fünf Monate hatte die Kopieranstalt Zeit gehabt, die Kopie auszubessern, die auf der «photokina» mein Schicksal zum Guten hätte lenken können. Nach den bisherigen Erfahrungen hatte ich keinen Mut gehabt, mir die Kopie anzusehen. Ich habe das immer wieder hinausgeschoben, aber nun mußte ich sie mir anschauen.

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