Memoria
musste das untersuchen lassen, und zwar schnell.
Aber für ein Bier musste doch noch Zeit sein.
Er machte ein paar unsichere Schritte auf die Straße – sofort ließ ihn das Schmettern einer Hupe erstarren. Er fuhr herum und sah sich einem Lastwagen gegenüber, der mit quietschenden Reifen zum Stehen kam und ihn dabei nur knapp verfehlte. Der Fahrer gestikulierte und fluchte laut, es klang Spanisch, aber Torres war sich nicht sicher. Es hörte sich verzerrt an, und die Lippenbewegungen des Mannes und der Klang seiner Stimme passten nicht zusammen. Außerdem hatte der Fahrer etwas
Seltsames
an sich. Torres starrte mit zusammengekniffenen Augen ins Gegenlicht. Dann sah er es.
Der Kerl hatte gelbe Augen.
Torres blinzelte, schüttelte den Kopf und sah noch einmal hin. Die Augen waren immer noch gelb. Und nicht nur das, jetzt ragten unter der Oberlippe des Kerls Reißzähne hervor, und seine Haut schimmerte wie Schlangenhaut.
Was zum –?
Torres stolperte wieder auf den Gehweg, schüttelte heftig den Kopf und zog sich weiter zurück, wobei er den Blick nicht von dem grausigen Bild losreißen konnte. Der Fahrer fluchte und zischte durch seine spitzen Reißzähne, während der Lastwagen davonrumpelte. Torres sah ihm völlig verwirrt nach und fragte sich, was zum Teufel das gerade gewesen war. Er hatte seit seiner Entführung kaum geschlafen, offenbar fing er an zu halluzinieren. Aber er musste sich zusammenreißen und klar denken, wenn er eine Chance haben wollte, den Cops zu entgehen. Er entschied, es wäre jetzt völliger Irrsinn, seine Zeit mit Drinks zu vergeuden und mit dem Versuch, eine großbusige Kellnerin aufzureißen.
Er drehte sich um und wollte in die Gegenrichtung gehen, als er ein Gewicht an seinem Gürtel fühlte. Er schaute nach unten und zog die Windjacke hoch, die sie ihm angezogen hatten, und da sah er es: In seinem Gürtel steckte eine Automatikpistole.
Ihm fiel die Kinnlade herunter, und er zog hastig die Jacke wieder über die Waffe. Nervös blickte er sich um, ob ihn jemand bemerkt hatte, da sah er in dem Gebäude vor sich einen Drugstore, der den größten Teil des Erdgeschosses einnahm. Er brauchte jetzt dringend ein paar wirklich starke Schmerztabletten. Etwas, das den pochenden Schmerz in seiner Schulter dämpfte, damit er sich irgendwo einen sicheren Unterschlupf suchen konnte, um sein weiteres Vorgehen zu überlegen. Ja, das wäre jetzt das Richtige. Ganz bestimmt.
Er machte sich auf den Weg über den Parkplatz zum Drugstore. Aber während er zwischen den parkenden Autos hindurchging, hörte er das unverkennbare Klicken eines Magazins, das in eine AK - 47 einrastete.
Er fuhr herum, und seine Hand glitt instinktiv unter seine Jacke, um nach der Pistole zu greifen. Eine Frau lud gerade Einkaufstüten in den Kofferraum ihres Wagens, während ihr Kind schrie, es wolle nicht nach Hause. Als sie sich über den geöffneten Kofferraum beugte, wurde Torres klar, dass sie ihre Waffe im Wagen versteckt haben musste, damit er sie nicht sah. Er dachte daran, zu der Frau hinzugehen und zu verlangen, dass sie ihm die Waffe aushändigte, aber das Geschrei des Kindes steigerte sich plötzlich zu unerträglicher Lautstärke. Es fühlte sich an, als stäche ihm eine ganze Batterie Bajonette in den Schädel.
Er hielt sich die Ohren zu, drehte sich um und rannte in das Einkaufszentrum.
Als er in das Gebäude stolperte, schienen die Leute ihm auszuweichen. Während er am Macy’s vorbeilief, blickte er an sich hinunter und sah, dass sein Hemd schweißdurchtränkt war. Oder war das Blut? Vielleicht war er angeschossen worden und hatte es nicht bemerkt, weil der Schmerz in seiner Schulter alles überdeckte? Er fuhr sich übers Gesicht und sah seine Finger an. Nein, es war nur Schweiß. Sein Mund fühlte sich entsetzlich trocken an. Er brauchte Wasser. Und Schmerztabletten. Er lief weiter, aber ein schneidender Schmerz durchfuhr seinen Bauch, so heftig, dass er sich krümmte. Er stützte sich an einer Wand ab und würgte mehrmals. Er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, aber wahrscheinlich hatte er gar nichts im Magen. Der Schmerz war so stark, dass er sich mit dem Rücken an die Wand lehnte, und obwohl er verzweifelt versuchte, auf den Beinen zu bleiben, ließ er sich gleich darauf an der Wand hinunter auf den Boden gleiten.
Etwas stimmte nicht. In ihm. Etwas war sehr ernsthaft nicht in Ordnung, das wusste er. Und es begann, ihm Angst zu machen.
Als er den Kopf hob, sah er eine ältere Frau,
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