Memoria
kein ehemaliger Gefolgsmann von Navarro.
Es war Navarro selbst gewesen.
Ich wusste es einfach.
Villaverde griff zum Telefon und reichte mir zugleich einen Computerausdruck.
«Der Verbindungsnachweis von Michelles Telefon», sagte er. «Es gibt da einen Dean, wie Sie vermutet haben. Sehen Sie selbst.»
Ich nahm das Blatt. Mehrere Telefonate waren mit Textmarker hervorgehoben, alle in den letzten sechs Wochen. Der Anschluss eines Dean Stephenson. Die Vorwahl war 510 .
«Das liegt nicht in dieser Region», stellte ich fest.
Villaverde schüttelte den Kopf. «Berkeley.»
«Und er ist Psychiater?»
«Ja und nein», antwortete Villaverde. «Er ist Dozent für Psychiatrie. Leiter des Fachbereichs oben an der University of California.»
Das überraschte mich und beunruhigte mich zugleich. Unter all den Psychiatern, zu denen Michelle Alex hätte bringen können, hatte sie sich für einen entschieden, der offenbar eine Kapazität war, und das trotz der Entfernung von etwa anderthalb Flugstunden.
Ich rief Tess an und gab ihr die Information weiter, während Villaverde mit dem Gerichtsmediziner sprach. Ich dachte, sie könnte diese Spur verfolgen, während wir uns darauf konzentrierten, wie wir die Gangster aus ihrem Versteck locken konnten – möglichst ohne dass ich dafür mein Leben lassen musste.
Noch etwas nagte an mir, aber ich konnte es nicht richtig benennen. Mir blieb allerdings kaum Zeit, meinen Plan zu erklären, denn plötzlich stürmte einer von Villaverdes Mitarbeitern ins Büro. Sein Gesicht verriet, dass es um eine Sache von höchster Dringlichkeit ging.
«Das müssen Sie sich ansehen.» Damit ging er schnurstracks auf Villaverdes Schreibtisch zu, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher im Regal ein.
Es war ein Nachrichtenkanal. Die Überschrift lautete «Geiseldrama in Mission Valley», und dazu wurden Bilder in niedriger Auflösung gezeigt, die offenbar jemand mit dem Handy aufgenommen hatte. Ein bewaffneter Mann war zu sehen, der jemanden am Hals gepackt hielt, schrie und wild mit seiner Pistole fuchtelte, während er vor der Kamera zurückwich.
Ich erkannte ihn sofort an dem kleinen Unterlippenbärtchen. Es war Ricky «Scrape» Torres alias Soulpatch, der Biker mit der Kugel in der Schulter, der aus dem Auto des toten Deputy gezerrt worden war.
Lebendig und in Farbe.
Kapitel 51
Ricky Torres verstand nicht, was zum Teufel da mit ihm passierte. Sie hatten ihn mit Klebeband verschnürt wie ein Postpaket und eine gefühlte Ewigkeit lang in irgendeinem Raum eingesperrt. Seine Wunde war behandelt und genäht worden, tat aber immer noch höllisch weh. Dann hatte er vor einer kleinen Weile einen Stich in den Arm gefühlt, bestimmt ein Antibiotikum, und anschließend war das Klebeband entfernt worden, bis auf das über seinen Augen. Man hatte ihn hochgezerrt, in ein Auto gestoßen und war mit ihm davongefahren.
Und jetzt das.
Sie hatten ihn aus dem Wagen auf harten Asphalt geworfen und waren mit quietschenden Reifen weggefahren.
Hatten sie ihn freigelassen?
Zögernd stand er auf und riss sich das Klebeband von den Augen. Sofort blendete ihn die Sonne, er brauchte eine ganze Weile, bis er wieder klar sehen konnte. Endlich erkannte er, dass sie ihn in Mission Valley ausgesetzt hatten, am Parkplatz der großen Westfield Mall. Er war benommen und desorientiert und ertappte sich selbst dabei, dass er interessiert zu dem Hooters-Lokal auf der anderen Straßenseite hinüberstarrte. Sein Gesicht verzog sich zu einem seltsamen Grinsen, als ihm eine verrückte Idee kam. Ein paar Bier in der Gesellschaft spärlich bekleideter heißer Mädchen würden ihm bestimmt helfen, alles zu vergessen, was ihm in den vergangenen Tagen widerfahren war. Wie lange war es gewesen? Zwei Tage? Mehr?
Er wusste es nicht.
Er blieb eine Weile stehen und fragte sich, warum die Mistkerle ihn freigelassen hatten. Während der Fahrt hierher hatte er überlegt, ob sie ihn an einen abgeschiedenen Ort brachten, um ihn zu töten und seine Leiche verschwinden zu lassen. Offenbar nicht. Aber er fühlte sich beschissen. Sein Kopf hämmerte, seine Sicht war verschwommen, und der Schmerz in seiner Schulter, der nach dem Zusammenflicken nachgelassen hatte, kehrte jetzt umso heftiger zurück. Zwar hatte er gefühlt, dass die Kugel entfernt wurde, doch jetzt fragte er sich, ob die Wunde wohl infiziert war. Aus seiner Zeit im Irak wusste er, dass Infektionen an Schusswunden oft tödlicher waren als die Kugel selbst.
Er
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