Memoria
die ihn mit besorgter Miene anschaute. Das war ein Trick der Selbstmordattentäter, das wusste er. Sie gaben sich als Freunde, und dann ließen sie einen zur Hölle fahren. Er hatte drei Kameraden auf dieses Weise verloren – sie waren mitten auf einer belebten Straße in Stücke gerissen worden, als seine Einheit auf der Suche nach Aufständischen von Haus zu Haus zog. Eine Frau hatte zu seinem Sergeant gesagt, sie könne ihm ein Haus zeigen, in dem sich welche versteckten. Er selbst war zurückgeblieben, um die Straße zu sichern, und Sekunden später lagen Körperteile seiner Kameraden über die Straße verstreut.
Auf so einen Trick würde er nicht hereinfallen.
Er starrte die Frau fest an und griff nach seiner Waffe. Aber dann stockte seine Hand, als er sah, wie ihr Gesicht anfing, sich zu verzerren, ihre sanften grauen Augen wurden schwarz und bedrohlich, und ihre Nase verformte sich zu einem spitzen Vogelschnabel. Er versuchte sich aufzurappeln, aber der Schmerz in seinen Eingeweiden war zu stark. Die Arme der Frau waren jetzt von schwarzen Federn bedeckt, und an der Stelle ihrer Hände befanden sich Klauen mit rasiermesserscharfen Krallen. Mit ausgestreckten Klauen kam sie langsam auf ihn zu.
Unter Aufbietung aller Kräfte zog er die SIG unter seiner Jacke hervor und fuchtelte damit nach dem harpyienartigen Ungeheuer.
«Zurück! Bleib mir vom Leib!»
Das ließ sich die Bestie nicht zweimal sagen. Sie drehte sich um und huschte davon.
Torres verstand nicht, was hier vor sich ging. Er steckte die Waffe wieder in den Gürtel, kam auf die Beine und schleppte sich um die Ecke zum Eingang des Drugstores. Er war nur ein paar hundert Meter entfernt, und Torres war sicher, dass er es schaffen konnte, solange er nicht wieder stehen blieb.
Er hatte die Hälfte der Strecke bewältigt, als er hinter sich eine Stimme hörte.
«Sir? Sir? Ist alles in Ordnung? Brauchen Sie Hilfe?»
Torres ignorierte die Stimme und ging weiter. Es war ein Trick. Ein Trick, um zu verhindern, dass er die benötigte Hilfe bekam.
«Sir?» Die Stimme wurde zu einem heiseren Krächzen. «Sie müssen stehen bleiben, damit ich mit Ihnen reden kann.»
Torres fuhr herum, viel schneller, als er es in Anbetracht seiner Schmerzen beabsichtigt hatte, und sah sich einem weiteren verdammten Aufständischen gegenüber. Der Mann hatte die Hand an der Pistole an seinem Gürtel. Torres konnte nicht genau ausmachen, welche Uniform der verdammte Turbankopf trug, aber was immer es für eine war, er hatte sie sicher der Leiche eines amerikanischen Soldaten abgenommen.
Es
war
eine Falle.
Sie würden ihn als Geisel nehmen, ihn foltern und ihm den Kopf abschneiden. So machten es diese Irren. Torres sah sich hastig um. Dreißig Meter entfernt – zu weit, als dass er irgendetwas anderes tun konnte, als auf ihn zu schießen – hielt ein jüngerer Mann ein Handy auf ihn gerichtet. Sie filmten bereits das Video ihrer Geiselnahme. Er wollte den Bastard erschießen, aber sein Captain hatte ihm eingeschärft, seine Waffe nur in unmittelbarer Lebensgefahr zu gebrauchen. Oder hatte das jemand anders gesagt? Er konnte sich nicht erinnern. Jedenfalls war ihm klar, dass er seine Befehle nach Möglichkeit zu befolgen hatte.
Er spürte, dass da noch jemand anders war, und drehte sich um. Noch ein Mann, dessen Verkleidung aus Jeans, Tennisschuhen und einem Polohemd bestand, kam auf ihn zu. Himmel. Sie hatten ein ganzes Kommando auf ihn angesetzt.
Er musste etwas unternehmen, sonst würde es ihm übel ergehen.
Er streckte eine Hand mit der Handfläche nach oben aus, wie um sich zu ergeben, aber gleichzeitig machte er zwei Schritte nach links. Dann, als der Mann im Polohemd ihn erreicht hatte, packte er ihn am Hals, zog seine Pistole und hielt sie dem Aufständischen an den Kopf.
«Zurückbleiben», schrie er. «Bleibt mir alle vom Leib, verdammt.»
Der Aufständische in der falschen Uniform hatte bereits seine Waffe gezogen und auf ihn gerichtet, aber jetzt hatte Torres die Oberhand. Er ging rückwärts in Richtung des Drugstores und zerrte seine Geisel mit sich. Trotz des hämmernden Schmerzes in seinem Kopf und des Brennens in seinen Eingeweiden ging er mit jedem Meter schneller. Als er einen raschen Blick auf den Aufständischen warf – der sich vorerst zurückhielt –, sah er, wie die Augen des Mistkerls gelb wurden und ihm Hörner aus dem Kopf wuchsen. Torres blinzelte und schüttelte den Kopf, aber als er die Augen wieder öffnete, waren die Hörner
Weitere Kostenlose Bücher