Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoria

Memoria

Titel: Memoria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Khoury
Vom Netzwerk:
vollkommen – eine Finsternis, wie er sie noch nie erlebt hatte. Ihn überkam panische Angst, erblindet zu sein, und so öffnete er die Augen wieder, woraufhin erneut die unheimlichen Kreaturen erschienen. Grässliche, zischende Reptilien und Schlangen. Missgestaltete, menschenähnliche Wesen, die ihn mit gebleckten Reißzähnen umringten. Und hinter ihnen schwarze Wände, die sich immer enger um ihn schlossen wie ein gigantischer Schraubstock.
    Er fing an zu schreien und schloss fest die Augen in dem Versuch, das Grauen auszublenden. Er zwang sich, an etwas anderes zu denken, etwas Beruhigendes, und ihm fiel ein, wie er das letzte Mal am Black’s Beach gesurft hatte. Er versuchte, sich auf die Wellen zu konzentrieren, die von dem Meeresgraben eine halbe Meile vor der Küste heranrollten. Auf die wilden Meereswogen, die sich zum Ufer hin aufbauten und sich schließlich tosend am Strand brachen. Er versuchte, sich den Geruch des Meeres in Erinnerung zu rufen, das Geschrei der Möwen, das Gefühl der ungezügelten Kraft der Wellen, durch die er hinauspaddelte, um sich den anderen Surfern anzuschließen.
    Für einen kurzen Moment wirkte die Vorstellung. Er empfand eine selige Ruhe, als die Reihe an ihn kam. Er stellte sich auf sein Brett. Beugte die Knie. Zentrierte sein Gewicht. Aber etwas raste auf ihn zu. Nicht der Strand. Nicht das Meer. Etwas anderes. Etwas tief aus seinem Inneren. Er fühlte, wie es gegen ihn prallte mit einer Wucht, stärker als die größte Welle, auf der er je geritten war. Von dem Anprall ging ihm die Luft aus. Er konnte nicht mehr atmen, rang nach Luft. Es schien, als drückten alle seine Organe auf das Herz – und dann brach es aus den Schnitten auf seiner Brust hervor.
    Eine dreiköpfige Schlange, dick wie eine Boa, schwarz und schleimig, wand sich aus einem Flammenmeer hervor, aus ihm heraus, drehte sich um sich selbst, richtete sich zu seinem Gesicht auf und zischte ihn an. Die mächtigen Kiefer waren mit Reihen spitzer Zähne bestückt.
    Villaverde sah Flammen aus den Schnitten in seiner Brust lodern, er roch seine eigene verbrennende Haut und fühlte, wie sie in der sengenden Hitze zusammenschrumpfte und schmolz. Ihm war klar, dass er binnen Sekunden völlig verbrennen würde. Er schrie und versuchte, sein Gesicht von der Bestie abzuwenden, aber sie folgte seinen Bewegungen, kam näher, bis ihr Atem sein schweißüberströmtes Gesicht streifte, und sie fragte ihn mit hallender, zischender Stimme: «Wo sind sie?»

Kapitel 60
    Mein Sohn ist die Reinkarnation des Mannes, den ich getötet habe.
    Wenigstens schien mir, dass Tess das gerade gesagt hatte. In meinem Kopf drehte sich alles, und es kam mir vor, als sei gerade ich derjenige, der eine außerkörperliche Erfahrung machte.
    Es war absurd, und alles, was mir dazu einfiel, war: «Wovon redest du?»
    «Diese Sachen, an die Alex sich erinnert hat. Tiere und Szenen aus dem Urwald.» Sie zog Alex’ Zeichnungen hervor und zeigte sie mir noch einmal. «Diese Eingeborenen, die Umgebung. Das stimmt mit McKinnons Vergangenheit überein. Er hat an solchen Orten gelebt.» Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, sie sprach immer eindringlicher, fast atemlos. «Diese Pflanzen – das sind medizinisch wirksame Pflanzen. Und dieses Bild hier» – sie zeigte auf das mit dem Mann, der auf orangefarbenem, feurigem Grund ging –, «das zeigt, wie jemand durch Feuer geht. McKinnon hat das getan; ich habe es in einem biographischen Artikel über ihn gelesen. Und dann diese andere Blume, die Alex gemalt hat, die, von der seine Lehrerin mir erzählt hat. Er hat zu mir gesagt, sie sollte das Herz heilen, aber dann stellte sich heraus, dass sie gefährlich war. McKinnon war derjenige, der sie entdeckt hat. Ich habe es nachgelesen. Er arbeitete damals für ein großes Pharmaunternehmen. Sie haben seine Forschungen und seinen Lebensunterhalt da unten finanziert. Und er hat diese Pflanze entdeckt, aus der sich ein vielversprechender Cholesterol-Inhibitor gewinnen ließ. Aber dann gab es in der Erprobungsphase Komplikationen, und er hat sich mit seinen Auftraggebern überworfen, weil sie das neue Medikament zum medizinischen Wundermittel hochstilisiert hatten und jetzt verhindern wollten, dass ihre Aktienkurse in den Keller gingen. Darum hat er den großen Pharmaunternehmen den Rücken gekehrt und auf eigene Faust weitergeforscht. Alex hat mir davon erzählt. Nicht in allen Einzelheiten, aber genug, dass es sich zu überprüfen lohnte. Es passte

Weitere Kostenlose Bücher