Memoria
der sie gekostet hatte, und als diese Drogen sein Bewusstsein veränderten und allmählich sein Ich spalteten, drang er in die finstersten Tiefen seines Unterbewusstseins vor und fand dort Dinge, die die meisten Menschen nicht hätten ansehen wollen.
Navarro jedoch war nicht wie die meisten Menschen.
Mit jeder neuen Erfahrung zogen ihn die Dämonen, die in den Abgründen seiner Astralsphären lauerten, weiter in die Tiefe. Doch er konnte nicht aufhören. Immer stärker faszinierten ihn die Türen, die jede neue Reise in seinem Geist öffnete, und die psycho-spirituellen Offenbarungen, die sie auslösten.
Offenbarungen, die manchmal über das Spirituelle hinausgingen.
Offenbarungen, die ihm halfen, Gefahren in der realen Welt zu überstehen und mit bemerkenswerter Leichtigkeit in der Rangleiter der Drogenbosse aufzusteigen.
Offenbarungen, die ihm den Beinamen El Brujo eingebracht hatten.
Der Hexer.
Und eine dieser Offenbarungen war es, die ihn auf einen neuen Kurs gelenkt, ihm ein neues Ziel vor Augen geführt hatte. Sie war die Wurzel dessen, was ihn jetzt antrieb.
Navarro war seit langem klar, dass sich das Spiel veränderte. Jeder, der wirklich hinsah, konnte erkennen, dass die Welt der Drogen in ständiger Entwicklung begriffen war. Er wusste, dass der derzeit meistverkaufte Stoff, Kokain, keine Zukunft hatte. Die Zeit war reif für etwas Neues, eine Substanz, für die keine lästigen Spritzen, Flämmchen oder Spiegelchen und Rasierklingen nötig waren, eine Substanz, die man einfach in Form einer Pille einnehmen konnte, nicht größer als ein Aspirin. Das war der große Reiz der synthetischen Drogen und Amphetamine, so verheerend sie den Konsumenten auch schädigen mochten.
Wenn Navarro antrat, die Zukunft zu gestalten, würde nichts ihm im Weg stehen können.
Als er wieder von dem Trip herunterkam, waren seine Vorstellungskraft und seine Wahrnehmung deutlich geschärft. Beobachtungen und verborgene Details drängten aus bisher unbemerkten Winkeln seines Geistes ins Bewusstsein.
Eines trat deutlicher hervor als alles andere.
Navarro konzentrierte sich darauf, lockte und nährte es, bis es in herrlicher Klarheit aufschien.
Er ging hinein und stellte sich unter die Dusche, um seinen Körper zu reinigen, ließ sich vom Wasser den Schweiß abspülen und sich in die Welt zurückholen, die andere als real bezeichneten. Dann trocknete er sich ab, zog seinen Pyjama an und rief am Computer Reillys Akte auf.
Sämtliche Informationen lagen vor ihm.
Er griff zum Telefon und rief Octavio Guerra an. Den Mann, der ihm seine Bodyguards vermittelte. Den Mann, der ihm sämtliche Hintergrundinformationen über amerikanische Staatsbürger verschaffte, für die Navarro sich interessierte. Das Faktotum, das ihm für gewöhnlich alles organisierte, was er brauchte. Und obwohl es schon spät war, wusste er, dass Guerra seinen Anruf jederzeit annehmen würde, gleich ob Tag oder Nacht.
«Der FBI -Agent, Reilly. Laut seiner Akte hat er eine Freundin in New York. Tess Chaykin.» Navarro schwieg kurz, dann wies er Guerra an: «Finden Sie sie.»
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Dienstag
Kapitel 29
Wieder war der Himmel strahlend blau, als ich nach La Mesa fuhr, um mit Karen Walker zu sprechen.
Wir hatten ein Treffen mit ihr auf der neuen Polizeiwache an der University Avenue vereinbart, da sie näher am Clubhaus der Eagles und an Karen Walkers eigenem Haus lag. Nach allem, was sie gerade durchgemacht hatte, fand ich das höflicher, als sie hinaus nach Montgomery Field zu bestellen, wo Villaverde sein Büro hatte. Zu ihrer Ehre sei gesagt, dass sie pünktlich erschien, und auch wenn sie ziemlich mitgenommen und angespannt wirkte, hielt sie sich recht gut. Sie brachte keinen Anwalt mit.
Wir empfingen sie zu dritt, ich, Villaverde und Jesse Munro, der an diesem Morgen aus L. A. heruntergekommen war. Nachdem wir uns gestern getrennt hatten, hatte Villaverde Corliss angerufen, um ihm von den Entwicklungen des Tages zu berichten. Corliss hatte angeboten, Munro zu schicken, damit wir jetzt, wo die Ermittlungen sich beschleunigten, direkten Zugriff auf die Ressourcen der DEA hatten. Wir vier saßen in einem Konferenzraum in der zweiten Etage, das erschien mir zuträglicher als die kleinen, fensterlosen Vernehmungszimmer unten, wo die Anwärter des Clubs befragt werden würden.
Aus den Unterlagen der ATF ging hervor, dass Karen und Eli Walker 2003 geheiratet hatten, kurz bevor Walker in den Irak geschickt wurde. Sie hatten zwei Kinder,
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