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Mensch Hund

Mensch Hund

Titel: Mensch Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Herbst
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dem „Lippenstift“.
    Nachdem wir alle Wohnzimmerecken abgesucht hatten, fanden wir die Erklärung, und ein Schrecken fuhr uns durch die Glieder: Sie hatten eine fast volle Dose Vitamin B Dragees vom Schrank gefischt, aus der Schachtel herausgeholt, geöffnet und, soweit wir sehen konnten, auch zum Teil gefressen. Diese Dragees waren wie üblich außen mit einem leckeren, roten Zuckersaft überzogen, der wohl recht schmackhaft war.
    Wir gingen also auf die Knie und sammelten die im ganzen Zimmer, vor allem auf dem hellen Teppichboden, verstreuten klebrigen, roten Pillen zusammen und fingen an zu zählen, um festzustellen, wieviele denn eigentlich fehlten, beziehungsweise gefressen waren. Im Geiste machten wir uns schon auf ein allgemeines Magenauspumpfest gefaßt.
    Nach dreimaligem Zählen — wir waren auch schon bis zu den Ellenbogen rot bekleistert — stellten wir aufatmend fest, daß nur einige der Dragees fehlen konnten, und haben über den Anblick der geschminkten Beagles noch nachträglich herzlich gelacht.
    In Zukunft haben wir dann stets auf eine vitaminreiche Kost geachtet und vor allem Tabletten zur Selbstbedienung völlig außer Reichweite der klugen Hunde gestellt.
    Oft habe ich beim Anblick unserer Hunde den Eindruck gehabt, es handle sich um Schafe oder Kühe, wenn sie nämlich friedlich nebeneinander grasend über die Wiese ziehen und sich sehr wählerisch die besten Kräutlein als Grünfutter rauszupfen. Aber das mag auch an unserem Klima liegen, denn hier in der Eifel regnet es sehr häufig.
    Gerade während ich dieses hier aufschreibe, sehe ich zum Fenster hinaus und kann beobachten, wie unsere Drei gerade genüßlich die Blütenblätter einer Geranie auf der Zunge zergehen lassen. Ich glaube, wir haben schon wieder etwas falsch gemacht!

Meine Hunde betteln nicht! — oder die Diebe

    War in einer der vorigen Geschichten von den absonderlichen Freßgewohnheiten unserer Hunde die Rede, so will ich hier doch einmal eine Lanze für unsere ach so gut erzogenen Hunde brechen.
    Einer der wichtigsten Punkte in unseren Erziehungsbemühungen schon in frühester Jugendzeit war immer, daß unsere Hunde dazu angehalten wurden, beim Essen der Familie entweder gar nicht anwesend zu sein, oder so zu tun, als seien sie nicht anwesend. Denn Hunde, die beim Essen betteln, waren uns schon immer ein Greuel.
    Wie sie weinerlich jammernd oder fiepend die Pfoten auf das Seidenkleid legen und mit ihren sanften Augen um ein Krümlein vom Tische des Herrn betteln, oder wie sie hungrig die Augen rollen bei jedem Bissen, den man sich mit schlechtem Gewissen zu Munde führt, das bricht einem doch fast das Herz. Selbst die besten Vorsätze schwinden dahin.
    Daher haben wir versucht, uns gar nicht erst in diese Seelenpein zu begeben, sondern haben zeitig mit eindeutigem Fingerzeig und Knurren unser Essen verteidigt.
    Deshalb können wir auch jetzt wie fast alle Hundebesitzer stolz sagen: „Unsere Hunde betteln nicht!“
    Solcherart erzogene Hunde sind natürlich auch bei Verwandten- und Bekanntenbesuchen erwünschte Gäste, und wir nehmen sie daher auch überall hin mit.
    So auch kürzlich zu einer Geburtstagsfeier im benachbarten Belgien. Nach dem Mittagessen saß man gemütlich zusammen in der guten Stube, unsere Hunde waren im Garten, als es anfing zu regnen, und ich sie in den Hausflur hereinließ, damit sie dort ihr wohlverdientes Mittagsschläfchen machen konnten. Sie zeigten keinerlei Unruhe oder schelmisches Zucken in den Augenwinkeln, als ich sie dort mit einem „brav Platz“ zurückließ. Die Zeit verging, und das Geburtstagskaffeetrinken rückte näher.
    Zwischendurch ging meine Frau einmal hinaus in den Flur, um nach den Guten zu sehen. Mit schreckensbleichem Gesicht kam sie zurück und zeigte mir mit nervösem Kopfzucken an, ich solle mal schnell in den Flur sehen.
    Als ich mich diskret hinausgeschlichen hatte, wurde mir auch fast schlecht. Unsere Hunde waren noch viel weißer im Gesicht als meine Frau. Schnauze, Nase, Lefzen, Hängeohren, alles war ganz weiß. Aber sonst schienen sie ganz in Ordnung, denn sie lagen auf ihren dicken Bäuchen zusammengeringelt und taten so, als schliefen sie tief und fest.
    Ich nahm einen „Abstrich“ an Danny’s Behang und roch daran, um die weiße Masse zu analysieren. Mir schwante Furchtbares. Im gleichen Moment hörte ich weiter hinten im Flur einen markerschütternden Schrei. Ich folgte den weißen Tapsen auf dem Fußboden und kam nach hinten, wo Tante Maria die

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