Mensch Hund
wurde dieser Plan schon bald von unserer Omi zunichte gemacht.
Meine schwerkranke Mutter, die ihr Leben lang furchtbare Ängste vor Hunden gehabt hatte, war auf etliche Wochen zu Besuch bei uns und fiel prompt auf Danny’s berechnend traurigen Blick herein. Es war der erste Hund in ihrem Leben, zu dem sie Zutrauen hatte und den sie sogar streichelte und anfaßte. Wir waren von diesem Wandel einer achtzigjährigen Frau, die einträchtig mit Danny auf dem Sofa saß und Weihnachtsplätzchen aß, so gerührt, daß wir zunächst nicht mitbekamen oder nicht mitbekommen wollten, wie beim Nachmittagskaffee stets erst kleine, dann immer größere Stücke Kuchen unter den Tisch wanderten.
Kein Wunder, daß das Verhältnis immer herzlicher und Danny’s Umfang immer dicker wurde, zumal etwas später dann der Einfachheit halber gleich das ganze Glastellerchen mit Plätzchen oder Kuchen unter dem Tisch verschwand. Wir haben es nicht über das Herz gebracht, diese Vertrautheit zu stören und sind auch heute noch froh darüber.
Also versuchten wir es mit Punkt zwei unseres Programmes: Bewegung.
Bei Schnee und Eis und Regen also jeden Tag aufs Fahrrad und versucht, zehn Kilometer zu fahren! Danny muß jedoch unsere Taktik durchschaut haben. Denn so gerne sie früher immer am Fahrrad gelaufen war, so schwierig war es nun, sie auch nur einige Meter ohne Pause hinter sich her zu ziehen.
Kaum daß man den nahe gelegenen Waldweg erreicht hatte, schaltete der Hund den „Rückwärtsgang“ ein. Alle zehn Meter mußte sie dringlich ihr Geschäft verrichten oder zumindest etwas ganz besonders Wichtiges am Wegesrand beriechen. Sie zerrte an der Leine und hechelte wie nach einer tagelangen Hetze. Besonders wenn Spaziergänger entgegenkamen, spielte sie das leidende Häufchen Elend, das brutal hinter dem Fahrrad hergeschleift wurde.
Mehr oder weniger laute Bemerkungen wie „Tierquäler“ oder „das müßte man mal dem Tierschutzverein melden“ mußte meine Frau über sich ergehen lassen, während Danny sich nochmals hämisch mit gequält treuem Blick in die Halsung fallen ließ.
Zu Hause angekommen, raste sie dann stundenlang wie toll durch den Garten, und immer, wenn sie zur Terrassentür hereinschaute, konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie gerade über etwas besonders Lustiges grinsen würde.
Aber, obwohl sie diese Rolle manchmal so überzeugend spielte, daß man ehrlich dachte, sie hätte sich die Pfote verletzt, und besorgt vom Fahrrad stieg, um festzustellen, daß ihr nicht das Geringste fehlte, blieben wir hart. Das Ergebnis war, daß meine Frau fast fünf Kilo abnahm und Danny knapp fünfhundert Gramm.
Doch auch dieser Erfolg wurde drei Tage vor der Ausstellung leider zunichte gemacht.
Um die Omi nach Hause zu bringen, mußten wir Danny einen Tag allein zu Hause lassen. Eine zwölfjährige, tierliebe Nachbarstochter hatte sich mit Freuden bereit erklärt, ab und zu mal nach Danny zu sehen und ihr mittags das Fressen zu geben. Wir fuhren also ganz beruhigt fort.
Als wir jedoch abends nach Hause kamen, trauten wir unseren Augen nicht: unser Hund sah fast wie hochträchtig aus, kugelrund und vergnügt mit zwei dicken Wülsten unter den Rippen, die das Fell richtig spannten.
Unsere ganze Mühe war vergeblich gewesen. Wie wir später erfuhren, hatten die Nachbarn an diesem Tag ein Fest mit Kuchen und reichlich Torte, und die Nachbarstochter war in treuer Pflichterfüllung alle Stunde mit einem Stück Kuchen unter dem Pullover zu Danny gewandert, um „mal nach ihr zu sehen“.
Als Trost sei jedoch gesagt, daß wir bzw. unser Hund, auf der Ausstellung trotzdem ein „Vorzüglich“ und sogar ein CACIB bekam.
Ausstellung — oder wer ist der Schönste im ganzen Land
„Hast du die Puderquaste auch eingepackt?” „Wo ist denn nur der Freßnapf?“ „Hast du auch nicht vergessen, die Krallen zu schneiden?“
Oder „Willst du nicht nochmal „Steh“ üben?“
So klingt es morgens um fünf Uhr durchs Haus. Jedermann ist in Aufregung und Hetze. „Ob ich vielleicht nochmal die Zähne abkratzen sollte?“
Derweil laufen die Kinder halb angezogen herum, zwei verschiedene Strümpfe, Pullover falsch herum angezogen. „Haben wir auch die Anmeldung nicht vergessen?”
Alles egal, denn heute stehen die Hunde im Mittelpunkt: Es geht zur Ausstellung.
Kaum im Auto, kommen die letzten Zweifel: „Bei dem Richter haben wir sowieso keine Chance!“ oder „Wenn der XY da ist, ist der erste Preis sowieso schon
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