Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
Beeren auf dem obersten Regal.
Ein Körper, sicher, aber zwei? Das war schon ein wenig sonderbar. Von allen Jobs, die sie einmal ausprobiert hatte, fiel ihr plötzlich ausgerechnet ihre Vertretung eines Mathematiklehrers in einer Oberstufenschule ein, die sie ein paar Wochen ausgeübt hatte. Sie hatte gelogen und erklärt, sie habe jede Menge Urkunden von der Universität, und niemand hatte es kontrolliert, wie üblich. Vor acht, zehn Jahren ungefähr, in einem westlichen Vorort von Stockholm, sie konnte nicht mehr sagen, welchem, und es war auch nicht besonders glücklich gelaufen. Eines Nachmittags hatte sich die Lehrerschaft versammelt, um eine gemeinsame Matheprüfung zusammenzustellen, sie hatte dabeigesessen, peinlich berührt und dumm, weil sie nichts hatte beitragen können. Jetzt wusste sie haargenau, welche Aufgabe sie den Schülern gegeben hätte:
Du hast zwei tote Körper. Sie wiegen x und y Kilo. Du hast einen Gefrierschrank mit zweihundertfünfzig Liter Inhalt. In wie viele Teile musst du die Körper zerteilen, damit sie Platz darin finden?
Sie saß am Küchentisch und schaute auf die Straße hinaus. Es war Abend, ein grauer, feuchter und windiger Januarabend, die Leute eilten mit ihren Einkaufstüten und ihren Hunden gebückt durch die Straßen. Aber nur wenige, die meisten waren klug genug, drinnen zu bleiben. Sie hatte die ganze Wohnung geputzt. Es gab kein Staubkörnchen mehr, sogar die Fußbodenleisten hatte sie mit einem feuchten Lappen, der in Ajax getränkt war, abgewischt. Sie hatte geduscht und sich die Haare gewaschen. Sie hatte mit ihrer Mutter am Telefon gesprochen, von all den positiven Dingen im Leben berichtet, die diese so gerne hörte.
Alles war in bester Ordnung.
Die Mutter war wieder eingewiesen worden, sie selbst frei. Immer für einen Monat am Stück krankgeschrieben, so lief es bereits seit dem Sommer. Da oben im Krankenhaus wechselten die Ärzte ununterbrochen, und jeder neue Doktor gab ihr einen Monat, die alten, üblichen Medikamente und Gespräche mit dem einen oder anderen Therapeuten, der mit der Tagesklinik verknüpft war. Und auch die Therapeuten kamen und gingen.
Das war gut so. Keiner hatte wirklich die Kontrolle, sie lebte im Grenzbereich und kam mit dem zurecht, was sie an Krankengeld bekam. Die Beschäftigungslosigkeit gab ihr genügend Zeit, um nachzudenken und Pläne zu schmieden.
Um abzuwägen, ob noch einer nötig war. Ob sie sich auch um Germund kümmern musste.
Oder ob Mahmot der Meinung war, dass sie bereits genug für die Versöhnung getan hatte? Das war nicht leicht zu sagen, er war nicht immer so deutlich, wie man es sich wünschte, dieser Mahmot.
Der Erste war selbstverständlich gewesen. Er war ein Schwein. Daran war nicht eine Sekunde lang zu zweifeln. Keine Ordnung auf der ganzen Welt wäre denkbar, solange er noch am Leben war.
Der Zweite war ganz plötzlich zu ihr gekommen. Sie hatte keine Ahnung gehabt, welch böse Kraft er repräsentierte, bis er sich plötzlich wie ein Pfahl in ihrem Fleisch befand. Mahmot hatte ihr nur das Wort ins Ohr flüstern müssen: töten , und sie hatte sofort verstanden, dass so, genau auf diese Art, der Knoten gelöst werden konnte.
Ich will zurück zu meinen Kindern, hatte sie sich erdreistet zu wünschen. Alles zu seiner Zeit , hatte Mahmot geflüstert. Zu gegebener Zeit wirst du alles zurückbekommen. Ich habe große Pläne mit dir, Jane, und habe ich dich jemals enttäuscht?
Nein, großer Mahmot, murmelte sie, während sie gleichzeitig einen kleinen Fleck entdeckte und sofort anfing, die eichenfurnierte Tischplatte mit der Handfläche blankzureiben, runde, weiche Bewegungen, aber ich habe keinen Platz für noch einen im Gefrierschrank. Ich muss auch ein bisschen praktisch denken, kann mich nicht nur die ganze Zeit dem Leidvollen und Schönen widmen. Ich muss Germund und meine Kinder finden, sie haben mir meine Kinder weggenommen, Mahmot. Sie verstecken sie vor mir, ich weiß nicht, wo sie sind.
Schon gut, mein Mädchen, flüsterte Mahmot. Denk jetzt nicht daran. Schließ die Augen, dann werde ich vortreten und dir einen Kuss auf die Stirn geben, und dann werde ich mich in deinen Fingern niederlassen. Du weißt, was ich tun kann, wenn ich mich dort niederlasse?
Danke, großer Mahmot, flüsterte sie erregt. Danke, vielen Dank! Ich wünschte, alle Männer wären tot, und es gäbe nur noch dich. Willst du, dass ich …?
Er antwortete nicht, aber sie wusste auch so, wie sie weiter vorgehen
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