Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
leeren, da habe ich diese … diese Finger entdeckt. Entschuldigen Sie …«
Ihr dünner Körper schüttelte sich, und für eine Sekunde glaubte Barbarotti, sie könnte sich über dem Tisch erbrechen. Aber sie fasste sich. Schüttelte den Kopf und trank ein wenig Wasser. Eva Backman legte ihr eine Hand auf den Arm.
»Danke. Entschuldigen Sie, aber ich bin noch immer etwas schockiert. Es war so schrecklich, als mir bewusst wurde, was da in den Plastiktüten lag …«
Gunnar Barbarotti wartete und gab seiner Kollegin ein Zeichen, ebenfalls zu schweigen.
»Das war ein Arm. Am Ellenbogen abgeschnitten. Die Tüte war von ICA, so eine rotweiße, ich glaube, ich habe sie zehn Minuten lang angestarrt, bevor ich etwas tun konnte. Ich hatte ja alles aus dem Gefrierschrank in einen Plastiksack geworfen, um es in den Müll zu tun, und wenn nicht diese Finger rausgeguckt hätten, dann hätte ich vielleicht gar nichts gemerkt … aber dann habe ich noch eine Tüte geöffnet. Zuerst wusste ich nicht, was es war, aber dann erkannte ich, dass es ein Stück des Beckens war.«
Sie verstummte. Es vergingen einige Sekunden.
»Ein Mann?«, fragte Eva Backman.
»Ja, ein Mann.«
Eine Bewegung draußen vor dem Fenster erregte kurz Gunnar Barbarottis Aufmerksamkeit. Er drehte den Kopf und sah eine Elster, die angeflogen kam und sich auf dem Fensterblech niederließ. Warum landest du da?, dachte er verblüfft. Bist du ein Bote des Teufels oder was?Einen Zweifel daran, dass der Teufel existierte, hatte Gunnar Barbarotti nie gehegt. Es war Gottes mögliche Existenz, die für ihn das Problem darstellte.
»Hm, ja«, räusperte sich Eva Backman. »Und was haben Sie dann gemacht? Ich kann mir vorstellen, dass Sie unter Schock gestanden haben müssen.«
»Ich war wirklich vollkommen geschockt«, gab Linda Eriksson zu. »Zuerst bin ich zur Toilette gelaufen und habe mich übergeben, dann habe ich mich aufgerafft und die Polizei angerufen. Ja, und dann, während ich auf sie gewartet habe, habe ich noch eine Tüte geöffnet … ich weiß nicht, warum ich das getan habe, vielleicht weil ich schon den Verdacht hatte, was es sein könnte, und ihn bestätigt haben wollte … auf jeden Fall war das ein Kopf. Ich bin auf die Toilette gelaufen und habe mich noch einmal übergeben, und dort bin ich geblieben, bis die Polizei kam.«
Gunnar Barbarotti richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Sie sind in der Wohnung geblieben, während diese den Rest ausgepackt hat?«
»Ich habe währenddessen in einem der Zimmer gewartet. Zusammen mit einer Polizistin.«
»Und da haben Sie erfahren, dass es sich um zwei Körper handelte?«
»Ja.«
»Die Ihre Schwester aus irgendwelchen Gründen in ihrem Gefrierschrank aufbewahrt hat.«
»Ja.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, warum sie das getan haben könnte?«
»Nein.«
»Haben Sie irgendeine Ahnung, zu wem die Körper gehört haben könnten?«
»Nein.«
»Haben Sie sie angesehen?«
»Ja. Die Polizei hat mich gefragt, ob ich in der Lage sei, das zu tun, und ich habe gesagt, ich würde es versuchen... ja, ich habe mir die Köpfe angesehen.«
»Und?«
»Nein, ich habe keinen von beiden gekannt. Sie waren ziemlich schlimm mitgenommen, aber man sah, dass es zwei Männer waren.«
»Ich verstehe.« Gunnar Barbarotti warf erneut einen Blick auf die Elster, die offenbar genug gesehen und gehört hatte, denn sie flatterte mit den Flügeln und machte sich dann davon. Er fühlte, dass es ihm ähnlich ging. Er hatte genug gehört. Wünschte sich für einen Moment, auch Flügel zu besitzen. Eva Backman hatte sich vorgebeugt und erneut eine Hand auf Linda Erikssons Arm gelegt.
»Hat Ihre Schwester in ihrem Leben irgendwelche Anzeichen für Gewalttendenzen gezeigt?«
Linda Eriksson zögerte. Sie ließen sie zögern.
»Ich weiß nicht so recht, was ich dazu sagen soll«, erklärte sie schließlich. »Wie ich schon gesagt habe, so hat sie ja versucht ihre Familie umzubringen. Ich glaube, … ich glaube, dass man …«
»Ja?«
»… dass man sich darüber hat klar sein müssen, dass Jane ernsthaft krank war. Sie hätte nicht frei herumlaufen dürfen … um ihrer selbst willen und wegen der anderen. Aber Sie wissen sicher auch, wie es in diesem Land um die psychiatrische Betreuung bestellt ist, nicht wahr? Möglichst raus auf die Straßen mit den Verrückten. Sie verursachen da zwar ein paar Schäden und ein wenig Leid, aber das dauert nicht so lange. Und auf die Dauer ist es billiger für die Gesellschaft.«
Gunnar
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