Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
vielleicht auch in erster Linie an Jane lag.«
»Hatten Sie Kontakt zu ihr … oder zu ihnen … während dieser Zeit?«, fragte Eva Backman.
»So gut wie keinen. Meine Mutter hat mich mit den Informationen versorgt. Und die waren natürlich nicht immer besonders zuverlässig. Auf jeden Fall ist Germund mit den Kindern vor … es muss inzwischen wohl schon zwei Jahre her sein … ins Ausland gezogen, und ich glaube, Jane ist es nie gelungen herauszukriegen, wo sie jetzt leben. Sie ging ein und aus in den verschiedenen Heimen, aber vor gut einem Jahr kam sie endgültig frei, und seitdem hat sie sich irgendwie gehalten. Sie war natürlich krankgeschrieben, aber soweit ich weiß … oder ich sollte wohl besser sagen, soweit ich wusste, ist sie allein zurechtgekommen. Ich hatte natürlich keine Ahnung von … davon.«
Sie breitete die Arme aus und sah wieder bedauernd drein. Als wäre sie diejenige, die versagt hatte, und als wäre es dieses Versäumnis, das zur Katastrophe geführt hatte.
»Wann hatten Sie das letzte Mal Kontakt zu Ihrer Schwester?«, fragte Barbarotti.
»Ich habe sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen. Aber ich habe mit ihr telefoniert … das letzte Mal im März.«
»Worüber haben Sie gesprochen?«
»Sie wollte sich Geld leihen. Ich habe das abgelehnt, und sie hat den Hörer aufgeknallt.«
»Wann haben Sie erfahren, dass sie tot ist?«
»An dem Tag, an dem sie gestorben ist. Sie haben mich vom Krankenhaus in Oslo angerufen. Sie hatte anscheinend meine Nummer auf einem Zettel in ihrem Portemonnaie.«
»Am 25. Juli?«
»Ja. Wir kamen gerade von zwei Wochen Urlaub in Deutschland zurück. Mein Mann stammt von dort.«
»Erzählen Sie uns, was dann passiert ist«, bat Eva Backman.
»Ja, ich musste mich dann ja um das Praktische kümmern. Ich bin nach Oslo gefahren und habe die Leiche identifiziert. Ich habe Kontakt mit Fonus aufgenommen und eine Erdbestattung und eine Auflistung ihres Besitzes und so beauftragt. Ich habe gar nicht erst versucht, Hilfe von meinem Bruder oder meiner Mutter zu kriegen... aber sie waren jedenfalls zur Beerdigung da. Drei Trauernde plus zwei Gefängniswärter und ein Pfleger, es war keine besonders fröhliche Gesellschaft.«
»Wann fand die Beerdigung statt?«
»Am 4. August.«
»Hier in Kymlinge?«
»Ja. Sie hat ja die letzten Jahre hier gelebt.«
»Und dann?«
»Ja, dann musste ich mich noch um die Wohnung kümmern. Ich hatte erreicht, nur noch die halbe Monatsmiete zahlen zu müssen, wenn ich alles bis zum 15. geräumt hätte, und deshalb bin ich letzten Montag hingefahren und habe angefangen auszuräumen …«
Eva Backman schaute auf ihren Notizblock. »Fabriksgatan 26, stimmt das?«
»Ja, das stimmt. Ich hatte dafür drei Tage veranschlagt, sie hatte natürlich keine großen Besitztümer, aber das dauert ja dennoch seine Zeit. Ich hatte beschlossen, alles wegzuschmeißen. Habe ein Fuhrunternehmen beauftragt, das alles abholen und zu den verschiedenen Sammelstellen fahren sollte oder direkt auf die Müllhalde … sie war zwar meine Schwester, aber ich habe mich einfach nicht in der Lage gesehen, mich hinzusetzen und in ihrem trüben Leben herumzuwühlen. Sie hatte auch nichts aufbewahrt, was wert war, es mitzunehmen. Kein Fotoalbum oder so.«
»Und ihre Kinder und ihr früherer Mann?«
»Ich habe mit der Polizei und einigen Sozialarbeitern gesprochen, und wir waren uns einig, dass wir die in Ruhe lassen wollten. Es brachte irgendwie nichts, Jane wieder in deren Leben hineinzuziehen. Das klingt vielleicht etwas zynisch, aber so haben wir es entschieden.«
»Wie alt sind die Kinder, was sagten Sie?«, fragte Eva Backman.
»Zehn und acht.«
»Klingt wie eine vernünftige Entscheidung«, stellte Gunnar Barbarotti fest. »Aber Sie haben dann also die Wohnung Ihrer Schwester geputzt, und dabei haben Sie …?«
Linda Eriksson schloss für einen Moment die Augen. Sie holte tief Luft, um sich zu wappnen. Die schmalen Schultern in dem grünen Baumwollkleid hoben und senkten sich. Gunnar Barbarotti dachte erneut, das sei eine Frau, die zu bewundern war. Ihr Leben hatte von Beginn an die schlechtesten Ausgangsmöglichkeiten geboten, aber sie hatte es geschafft. Er schaute kurz zu Eva Backman hinüber, die seinen Blick erwiderte, und meinte in ihrem lesen zu können, dass sie genauso empfand.
»Ja. Ich habe zuerst die Zimmer gemacht, mit der Küche bis zuletzt gewartet. Das war heute Morgen, und da … ja, als ich anfing, den Gefrierschrank zu
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