Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
sehr mitgenommen. Er wollte ihn ganz einfach nicht noch einmal in den Schlagzeilen sehen. Ich glaube, die anderen haben ihn überreden müssen, überhaupt anzurufen.«
»Ach so«, sagte Gunnar Barbarotti. »Ja, das ist wohl verständlich, wenn man die Umstände betrachtet.«
Er setzte sich im Korbsessel zurecht. Trank noch ein wenig Tee. Aber alles andere, dachte er, alles andere ist umso merkwürdiger. Ich komme mit dieser Geschichte einfach nicht weiter.
Nicht einen Zentimeter.
Das Gespräch mit Jakob Willnius dauerte eine halbe Stunde. Gunnar Barbarotti blieb im gleichen Korbsessel sitzen und schaute durch das gleiche Sprossenfenster nach draußen. Jakob Willnius trank ein Glas Wein, er selbst blieb bei Tee.
Das Ergebnis war mager. Reichlich mager. Fernsehproduzent Willnius bestätigte jeden Punkt der Version seiner Ehefrau hinsichtlich dessen, was sich während ihres letzten Besuches in Kymlinge zugetragen hatte, und er hatte wie erwartet nicht den geringsten Einblick in die Charaktere der beiden Vermissten. Henrik hatte er noch nie zuvor gesehen – und auch dieses Mal höchstens zehn Worte mit ihm gewechselt. Was Walter betraf, so war dieser ja vor einigen Jahren für ein paar Monate hier im Haus einquartiert gewesen, aber die beiden Männer hatten nie ein tiefergehendes Gespräch geführt, wie Jakob Willnius mit einem leicht entschuldigenden Achselzucken erklärte. Walter war Kristinas raison d’être, nicht seine.
Gunnar Barbarotti überlegte einen Moment lang, warum er ausgerechnet diesen französischen Begriff benutzte – soweit er es beurteilen konnte, auch noch an der falschen Stelle -, griff diese Fragestellung aber nicht auf. Es war wahrscheinlich auch so eine Art Klassending. Jakob Willnius machte insgesamt einen ruhigen, weltgewandten und harmonischen Eindruck. Er hatte in die Familie Hermansson eingeheiratet, und auch wenn ihm das keine größere Freude bereitete, so hatte er zumindest beschlossen, es mit Gleichmut zu sehen.
Und warum sollte er auch nicht?, dachte Gunnar Barbarotti, als er Abschied von dem Ehepaar Hermansson-Willnius nahm und sich auf den Weg zur U-Bahn-Station machte. Wo er eine Ehefrau wie Kristina bekommen hat. Was ihn selbst betraf, so hatte Gunnar Barbarotti sich seit seiner Scheidung von Helena voll und ganz von Frauen ferngehalten. Das heißt: bis vor einem Monat. Sie hieß Charlotte und war auch bei der Polizei. Sie hatten sich auf einer Konferenz in Göteborg kennen gelernt. Sie waren beide etwas beschwipst gewesen und hatten sich anschließend während des größten Teils der folgenden Nacht in Charlottes Hotelzimmer mitein ander vergnügt.
Das Problem war nur, dass sie verheiratet war. Mit einem anderen Polizeibeamten. Sie wohnten in Falkenberg und hatten zwei Kinder, zehn und sieben Jahre alt. Das hatte sie am nächsten Morgen beim Frühstück erzählt, aber schließlich hatte er die Möglichkeit gehabt, sie den ganzen Abend danach zu fragen, und das hatte er nun einmal nicht getan.
Nach diesem einen Mal hatten sie sich nicht wiedergesehen, jedoch zweimal miteinander telefoniert. Charlotte hatte genauso peinlich berührt geklungen, wie er sich gefühlt hatte, und sie waren darin übereingekommen, bis auf weiteres nichts miteinander zu tun haben zu wollen. Vielleicht ließ man zum Sommer hin wieder von sich hören. Gunnar Barbarotti wusste nicht so recht, wie er die Situation einschätzen sollte – und wie es eigentlich um Charlottes Ehe stand -, aber bei beiden Telefongesprächen hatte sein Herz heftig gepocht, und die Nacht in Göteborg war zweifellos die für ihn bemerkenswerteste seit Jahren gewesen.
Aber einem Kollegen, wenn auch einem unbekannten, die Hörner aufzusetzen, das war definitiv nichts, worauf man stolz sein konnte, und er war dankbar, dass erst einmal der Deckel drauflag. Außerdem war die blasse Süße der Sehnsucht und der unausgesprochenen Hoffnungen auch nicht zu verachten.
Walter Hermanssons Wohnung lag in einem Wohnblock aus den Dreißigern in der Inedalsgatan auf Kungsholmen. Fünfter Stock. Auf einem Messingschild an der Tür stand Renstierna, und auf einem handgeschriebenen Zettel über dem Briefschlitz Hermansson. Gunnar Barbarotti verbrachte eine Stunde damit, in zwei kleinen Zimmern und einer noch kleineren Küche herumzulaufen und nach Informationen zu suchen, die Aufschluss darüber hätten geben können, was mit dem abwesenden Mieter passiert sein mochte. Ein Schutzmann Rasmusson von der Stockholmer Polizei leistete ihm
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