Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)
nicht erinnern, dass er jemals etwas in der Richtung geäußert hat. Oder dass ich Angst gehabt hätte, er könnte es tun. Er weiß wohl, dass …«
»Ja?«
Sie lachte kurz auf. »Ich glaube, er weiß, dass ich stinksauer auf ihn sein würde, sollte er diese feige Lösung wählen. Und ihn im Totenreich aufsuchen und zur Rede stellen und so.«
»Ihre Mutter meinte, er sei nach dieser Fernsehgeschichte zu einer Therapie gegangen. Wissen Sie, ob das stimmt?«
»Ich glaube, er ist ein paar Mal zu einem Psychologen gegangen.«
»Sie wissen nicht zufällig den Namen des Psychologen?«
»Bedaure.«
Gunnar Barbarotti nickte. »Und Henrik?«
»Meinen Sie damit, ob Henrik … ob Henrik selbstmordgefährdet sein könnte?«
»Ja.«
»Nein, warum sollte er? Es ist natürlich klar, dass ich mir das auch überlegt habe, aber es erscheint vollkommen unpassend. Und wenn Walter oder Henrik … oder alle beide … sich das Leben genommen hätten, warum hat man sie dann nicht gefunden? Die beiden können sich doch nicht so einfach in Luft auflösen?«
»Man kann in den Bach von Kymlinge springen«, schlug Gunnar Barbarotti vorsichtig vor. »Aber wir haben noch nicht angefangen, ihn abzusuchen. Dazu wollen wir zuerst einen Anlass haben. Aber was ich noch gern wissen möchte: Worüber haben Henrik und Sie am Montagabend gesprochen? Und wie hat er auf Sie gewirkt? Haben Sie darüber nachgedacht seit unserem Telefongespräch?«
»Ich habe kaum etwas anderes getan«, antwortete Kristina Hermansson. »Und mir fällt nichts ein. Es ist, wie ich gesagt habe, wir haben in erster Linie über alte Zeiten gesprochen, als er und Kristoffer noch klein waren, ich war damals ziemlich oft mit ihnen zusammen. Auch ein bisschen darüber, wie es in Uppsala ist, aber nicht viel … und, ja, es kann sein, dass er ein Mädchen erwähnt hat, das Jenny heißt, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass es was Ernstes wäre. Es … es tut mir leid, aber ich kann mir doch nichts aus den Fingern saugen, was es nicht gab.«
»Und am Dienstag?«
»Am Dienstag haben wir sehr wenig miteinander gesprochen. Und überhaupt nicht unter vier Augen. Schließlich war das Papas und Ebbas großer Tag, es war immer etwas los und die ganze Zeit ein Kommen und Gehen. Ich habe wohl nicht besonders auf Henrik geachtet … obwohl: Beim Essen hat er gesungen. Er hat eine schöne Stimme.«
»Um wie viel Uhr sind Sie und Ihr Mann ungefähr zurück ins Hotel gefahren? Sie sind an dem Abend doch zusammen gefahren?«
»Ja, natürlich. Ja, es war kurz nach halb zwölf.«
»Haben Sie sich von Henrik verabschiedet?«
»Ja … ja, das habe ich natürlich.«
»Und Ihnen ist nichts Besonderes aufgefallen?«
»An Henrik?«
»Ja.«
»Nein, warum hätte mir etwas auffallen sollen? Da war nichts Besonderes an ihm. Worüber wir alle geredet haben, war natürlich Walters Verschwinden und die Frage, wo er geblieben sein könnte. Wir haben es während des Essens sozusagen beiseitegeschoben … um meinem Vater und Ebba nicht die Mahlzeit zu verderben. Aber als die Tafel aufgehoben worden war, da haben wir darüber diskutiert, wo er wohl sein könnte. Ich glaube, meine Mutter war am unruhigsten.«
»Und Sie selbst?«
»Natürlich habe ich mich auch gewundert. Aber, wie schon gesagt, ich habe ganz einfach geglaubt, er hätte es nicht mehr ausgehalten. Dass er irgendeinen alten Freund besucht hat und am nächsten Tag schon wieder auftauchen würde.«
»Ich verstehe. Und dann sind Sie ins Hotel gefahren und am nächsten Morgen nach Stockholm aufgebrochen?«
»Ja. Wir hatten überlegt, eventuell noch bei meinen Eltern zu frühstücken, aber dann stellte sich heraus, dass Jakob gegen zwölf Uhr einen Termin hatte, deshalb waren wir gezwungen, früh aufzubrechen.«
»Und wann haben Sie erfahren, dass Henrik verschwunden war?«
»Erst als wir nach Hause gekommen sind. Meine Mutter rief an und hat es mir erzählt … oder genauer gesagt, dass sie nicht wussten, wo er war. Anfangs klang das nicht so dramatisch …«
»Aber Walter war immer noch verschwunden. Da mussten Sie doch …?«
»Ja, natürlich. Mama war ziemlich aufgeregt, sie versuchte ruhiger zu erscheinen, als sie wirklich war.«
»Aber erst am Mittwochabend hat Ihr Vater die Polizei benachrichtigt. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum er so lange gewartet hat?«
»Ja«, seufzte Kristina Hermansson. »Dafür gibt es leider eine ganz einfache Erklärung. Meinen Vater hat diese Fernsehserie, bei der Walter mitgemacht hat,
Weitere Kostenlose Bücher