Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
Vom Netzwerk:
beispielsweise mit allen siebenundsiebzig oder hundertelf Personen sprechen, die Henrik Grundt im Laufe der letzten zwei Monate angerufen hatte oder die ihn angerufen hatten, wenn man seine Telefonliste in den Händen hielt. Man könnte all seine Kommilitonen und all seine Lehrer an der juristischen Fakultät befragen, man könnte weitermachen mit den Studentenvereinigungen und seiner alten Gymnasialklasse in Sundsvall und dann alles zusammen ans Guinness Buch der Rekorde schicken, dachte Inspektor Barbarotti verbittert. Die größte und erfolgloseste Ermittlung der Welt, nun ja, beim Kampf um diesen Titel gab es sicher genügend Konkurrenten. Was Henriks Onkel Walter betraf, so hatte der Inspektor am gestrigen Abend drei Stunden (es wurde noch eine Stunde nach dem Kneipenbesuch) über dessen vollgekritzeltem Adressbuch und seinem noch schlimmer bekritzelten Notizblock gesessen und versucht, alles wegzukürzen, was vermutlich nicht von Belang war. Das Problem war, dass es keine derartige Streichungsmethode gab, nichts, was in diesem Fall funktionierte, aus dem ganz einfachen Grund, weil man nicht wusste, wonach man überhaupt suchte.
    Und wenn er diese Arbeit in die Hände anderer gab, dann würden auch die nicht wissen, wonach sie zu suchen hatten … er erinnerte sich, dass er irgendwo über diese Art von Informationsproblem in der alten DDR gelesen hatte. Da jeder vierte Mitbürger Informant der Stasi war und die wichtigste Aufgabe eines Informanten darin bestand zu informieren, bekamen sie derartige Massen von Berichten herein, dass sie kaum die Zeit hatten, sie alle zu lesen, geschweige denn sie zu analysieren und zu bewerten.
    Und erst recht nicht, auf sie zu reagieren.
    Und woher sollte er wissen, welche Telefonnummer oder welcher schnell hingeschmierte Name in diesem Fall wichtig war? Oder wer von den einhundertzweiundsiebzig eingebildeten Jungjuristen in Uppsala tatsächlich irgendetwas wusste?
    So war es nun einmal mit der neuen Technik, der Heuhaufen wuchs immer nur noch höher, aber die Stecknadel wurde dadurch nicht einen Millimeter größer. Warum also nicht auch noch die Teilnehmer in Walters Dokusoap heranziehen, vielleicht handelte es sich hier ja um einen Rachefeldzug, der seinen Ursprung auf Koh Fuk hatte? Das würde zumindest einige Schlagzeilen mit sich bringen.
    Eine andere Variante wäre, dass Walter Hermansson ganz einfach die ganze Aufmerksamkeit und diesen Mist leid geworden und gemeinsam mit irgendeiner alten Flamme untergetaucht war. Sich irgendwo versteckte. Im Hinblick auf die allgemeine Lage – und eingedenk dessen, dass auch sein Neffe verschwunden war und offenbar keinen Grund hatte, sich zu verstecken – erschien diese Lösung nicht besonders glaubhaft. Und dennoch, das Gewicht des Heuhaufens war deutlich zu spüren. Oder der beiden Heuhaufen, schließlich hatte man nach zwei Nadeln zu suchen.
    Aber Backman hatte ein gutes Modell, wie er sich erinnerte. Zuerst entschied man, was zu tun war. Dann tat man es. Wenn man den Fall damit nicht gelöst hatte, musste man sich für einen nächsten Schritt entscheiden.
    Backman ist klug wie eine Eule, dachte Gunnar Barbarotti. Und jetzt hole ich mir noch eine Tasse Kaffee, damit ich wenigstens wach bleibe.
     
    Zumindest einen Erfolg konnte er an diesem Vormittag verbuchen. Er fand den Psychologen, den Walter Hermansson offenbar nach seinem Zusammenbruch auf Fucking Island aufgesucht hatte. Er hieß Eugen Sventander, hatte seine Praxis in der Skånegatan auf Söder und ließ über seinen Anrufbeantworter mitteilen, dass er über Weihnachten und Neujahr verreist war und nicht vor dem 9. Januar zurückzuerwarten sei. Sventander gehörte zu einer Gruppe von acht Psychologen und Therapeuten mit unterschiedlichen Adressen in Stockholm, die genau darauf spezialisiert waren: ausgebrannte Dokusoap-Teilnehmer wieder zu lebenstauglichen Mitbürgern zu machen. Normalerweise war das in sechs bis acht Monaten zu schaffen, mit zwei Besuchen in der Woche, gegen Ende nur noch einem, und meistens war es der betreffende Fernsehsender, der die Behandlung bezahlte.
    Zufrieden mit dieser klaren und eindeutigen Auskunft eines der Kollegen Sventanders setzte sich Gunnar Barbarotti in den Zug und fuhr weiter gen Norden nach Uppsala.
     
    Das Studentenwohnheim lag im Studentenviertel Triangeln am Rackarberget. Es beherbergte fünf Zimmer, jedes davon mit eigener Toilette und Dusche. Die Küche hatten sie gemeinsam, sie war geschmückt mit einem Che-Guevara-Plakat,

Weitere Kostenlose Bücher