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Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Mensch ohne Hund: Roman (German Edition)

Titel: Mensch ohne Hund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Nesser
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hätte ihren eigenen Sohn sowie ihr Enkelkind erschlagen und unter der Garage vergraben, oder was willst du damit sagen? Verdammt, sie ist eine alte Handarbeitslehrerin, Eva. Handarbeitslehrerinnen laufen nicht rum und bringen ihre Angehörigen um.«
    »Sie hat auch Deutsch unterrichtet. Ich hatte sie zwei Jahre lang.«
    »Das spieltjawohl verdammt noch mal keine Rolle. Jetzt reiß dich aber zusammen, sonst bezahlst du deinen Kaffee selbst.«
    »In Ordnung«, sagte Eva Backman und steckte die Zigaretten ein. »Aber ich habe ja nicht gesagt, dass Frau Hermansson hinter allem stecken muss. Ich weise nur darauf hin, dass es vielleicht sinnvoll wäre, ein wenig in den Familienverhältnissen zu bohren. Das ist doch nichts, worüber man sich aufregen muss, oder?«
    Barbarotti schnaubte.
    »Willst du allen Ernstes behaupten, einer der anderen hätte Walter und Henrik entführt? Und warum? Und wie?«
    Eva Backman zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht«, gab sie zu. »Ich versuche nur ein bisschen konstruktiv zu sein. Was glaubst du denn selbst?«
    Gunnar Barbarotti seufzte und breitete die Arme in einer resignativen Geste aus. »Das habe ich doch gesagt. Ich glaube gar nichts.«
    »Aha?!«, erwiderte Eva Backman und hatte eine Sekunde lang etwas sanft Tröstendes im Blick. Was aber schnell vorbeiging. »Aber du hast doch zumindest einen Arbeitsplan? Auch wenn man nicht weiß, was man machen soll, muss man doch etwas tun. Sonst stumpft man ab.«
    »Es ist wirklich erbaulich, mit dir zu sprechen«, sagte Gunnar Barbarotti. »Zweifellos. Aber es stimmt, ich habe einen Arbeitsplan.«
    »Ja?«
    »Bedeutet das, dass du ihn hören willst?«
    »Schließlich sitze ich ja hier. Also?«
    »Die Schwester. Kristina.«
    »Ich höre.«
    »Ich fahre morgen nach Stockholm. Und Walters Wohnung, habe ich mir gedacht.«
    »Gut.«
    »Ja, es kann jedenfalls nicht schaden, sich umzuschauen. Ja, dann fahre ich weiter nach Uppsala und versuche mich ins Studentenleben zu stürzen.«
    »Ist sicher viel los unter den Studenten zwischen den Tagen«, sagte Eva Backman, freundlich lächelnd.
    »Sicher. Ich freu mich schon drauf.«
    »Danke für den Kaffee«, sagte Eva Backman. »Ja, dann wünsche ich dir jedenfalls viel Glück für deine Ausflüge.«
    »Bin seit Jahren nicht mehr in Stockholm gewesen«, sagte Gunnar Barbarotti.
     
    Die Villa, in der Kristina Hermansson gemeinsam mit ihrem Ehemann und Sohn wohnte, lag im Musseronvägen in Gamla Enskede. Ein großes, altes Holzhaus aus den Zwanzigern oder Dreißigern, wie Gunnar Barbarotti schätzte, und es war wohl eher über als unter fünf Millionen Kronen wert. Ein kurzer Überschlag sagte ihm, dass seine eigene Drei-Zimmer-Wohnung in Kymlinge wahrscheinlich vier, fünf Mal unter das versetzte, rostrote Ziegeldach passen würde.
    Der Ehemann, Jakob Willnius, war noch nicht zu Hause, sollte aber in einer Stunde kommen, wie Kristina Hermansson ihm erklärte. Er hatte darum gebeten, ebenfalls mit ihm sprechen zu dürfen, und dagegen war natürlich nichts einzuwenden. Sohn Kelvin befand sich drei Häuser weiter die Straße hinunter bei einer Tagesmutter, da er aber noch keine zwei Jahre alt war, hatte Gunnar Barbarotti beschlossen, bis auf Weiteres auf eine Befragung seiner Person zu verzichten.
    Sie ließen sich in einer großen, mit Infrarotheizung erwärmten Glasveranda nieder, die auf den Garten zeigte. Kristina Hermansson war in den Dreißigern, sie hatte dunkelbraunes Haar im Pagenschnitt, und Barbarotti fand sie schön. Solch eine Ehefrau und solche Verhältnisse lagen außerhalb seiner Möglichkeiten, wie er nüchtern feststellte. Er war nie auch nur in die Nähe davon gekommen, und er fragte sich, warum ausgerechnet jetzt diese Unterschichtperspektive hochploppte. Normalerweise fiel er nicht in derartige gefühlsmäßige Schützengräben, aber vielleicht hatte es ja etwas mit der blauen Dämmerung zu tun, die schnell über die alten Obstbäume draußen im Garten fiel, mit dem Knarren der Korbstühle, mit den zerbrechlichen, schönen Tassen, in denen sie Tee servierte – Meißener Porzellan, wenn er sich nicht irrte -, wodurch er sich wie der dumme Vetter vom Lande fühlte.
    »Bitte schön«, sagte sie. »Ich hätte vielleicht ein paar Häppchen für Sie fertig machen sollen, aber …«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich habe im Zug gegessen, kein Problem.«
    »… ich bin über das alles so durcheinander. Es erscheint alles so unwirklich.«
    Sie strich mit dem Daumen einen kleinen Fleck vom

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